Charons Klaue
neuen Stadt.«
Berellip starrte ihn an, schien jedoch an seiner Ehrlichkeit zu zweifeln.
»Ich schlage vor, dass Ihr Menzoberranzan benachrichtigt«, fügte Tiago hinzu. »Ihr werdet Verstärkung brauchen, und zwar bald.«
»Baenres?«, fragte Berellip misstrauisch. »Wird Oberinmutter Quenthel uns ihre Legionen schicken?«
Tiago lachte und provozierte sie mit seinem ungenierten Auftreten noch mehr. »Ihr begreift doch, dass Ihr auf Oberinmutter Baenres Wunsch hier seid?«, fragte er. »Wenn wir tatsächlich Interesse daran hätten, diesen Ort selbst auszubauen, warum hätten wir Eure Reise dann einfach so zulassen sollen? Warum haben wir keine eigene Expedition losgeschickt?« Als die Xorlarrins nicht antworteten, sprach er weiter: »Weil wir Haus Xorlarrin in seinem Eifer nicht bremsen wollen. Oberinmutter Quenthel überlässt Euch diesen Ort und Eure Träume bereitwillig, wie wir durch unser Handeln und insbesondere durch unsere Nichteinmischung deutlich gezeigt haben. Seit der Ankunft des Nesser-Reichs ist die Welt zu gefährlich geworden, als dass die Häuser von Menzoberranzan ihre pausenlosen internen Kämpfe fortsetzen sollten, und Ihr müsst zugeben, dass Haus Xorlarrin zu den schlimmsten Provokateuren zählt.«
Trotz ihrer ungerührten Haltung musste Berellip bei dieser unbestreitbaren Tatsache schlucken.
»Deshalb werden wir Euch gestatten, Euch am äußersten Rand von Menzoberranzans Einflussbereich niederzulassen.«
»Solange unsere Stadt Menzoberranzan stärkt«, folgerte Ravel.
»Natürlich. Wenn Ihr rivalisieren würdet, anstatt im Einklang mit unseren Erfordernissen zu kooperieren, würden wir Euch selbstverständlich vernichten«, verkündete Tiago ohne Umschweife.
»Dennoch seid Ihr der Ansicht, wir sollten unsere Reihen durch weitere Drow verstärken«, bemerkte Berellip, als wäre dies ein Widerspruch.
»Ich habe nicht von Drow gesprochen«, stellte Tiago klar. »Der Klauenspalt könnte ein paar hundert, vielleicht auch tausend Kobolde erübrigen. Das sind schlaue kleine Kerlchen und erstaunlich geschickt in den Minen und im Umgang mit Metall. Ein solches Geschenk aus Menzoberranzan täte Euch hier gute Dienste und würde Menzoberranzan kaum schwächen, weil diese Ratten sich vermehren … nun, wie die Ratten, und die Gänge des Klauenspalts würden sich rasch wieder füllen. Und Drider! Ja, Ihr solltet weitere Drider anfordern, denn in Menzoberranzan wären viele die ganze Brut bestimmt gerne los! Verdammte Viecher. Holt sie zu Euch, sage ich. Weist ihnen ein paar Außenbereiche zu, die sie halten sollen und wo sie sich niederlassen können.«
»Drider sind nicht ohne Grund Drider«, stellte Berellip trocken fest.
»Das heißt, die Spinnenkönigin wäre nicht erfreut?«, fragte Tiago ironisch. »Ist doch besser, sie in ihren Dienst zu stellen, nicht wahr?«
»Darum geht es nicht«, wehrte Berellip ab.
»Genau darum geht es«, beharrte Tiago und legte nun alle scheinbare Unterwürfigkeit ab. »Nur darum geht es … bei alledem! Ihr seid hier draußen, weil Ihr der Spinnenkönigin dient. Ihr dürft eine Partnerstadt für Menzoberranzan errichten, um der Spinnenkönigin zu dienen. Oberinmutter Quenthel gestattet es einzig und allein, weil sie der Spinnenkönigin dient. Das ist der einzige Grund, der einzige Sinn und Zweck. Wenn Ihr das zu schätzen wisst, Berellip Xorlarrin, werdet Ihr meinen Rat besser verstehen, und nur wenn Ihr das wirklich zu schätzen wisst, Priesterin Berellip, werdet Ihr und Eure Familie diese tapfere ›Flucht‹ aus Menzoberranzan überleben. Etwas so Offensichtliches sollte ich einer Priesterin der Lolth nicht erklären müssen. Ihr enttäuscht mich!«
Und damit machte Tiago abrupt kehrt und ging zu Gol’fanin, der mit der langwierigen Herstellung der ersehnten Schwerter begonnen hatte.
Erzgo Alegni stand entschlossen auf und streckte seinen imposanten Körper. Seine zahlreichen Verbände behinderten ihn dabei, aber der stolze Tiefling kämpfte dagegen an, denn er war darauf erpicht, vor dem alten Hexer keine Schwäche zuzugeben. Dennoch stolperte er ein wenig, weil ihn das Fehlen seines rechten Auges irritierte.
»Wann bist du bereit, ins Land des Lichts zurückzukehren?«, fragte Draygo Quick knapp, und ohne auch nur anzudeuten, dass Alegnis Gesundheit ihn im Geringsten scherte – was auch nicht der Fall war.
»Sobald ich den Befehl erhalte«, antwortete Alegni.
»Auch jetzt sofort?«
»Wenn Ihr es wünscht, breche ich sofort auf.«
Draygo Quick
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