Charons Klaue
Als sie den roten Bart und den Helm mit dem einen Horn bemerkte, formten ihre Lippen die Worte: »König Bruenor?«
Sie hielt noch etwas länger durch, dann aber wurde die Energie zu mächtig. Sie konzentrierte sich ganz auf ihre Vision, als wolle sie den berühmten Zwergenkönig verzweifelt überzeugen, dass auch sie von den Delzouns abstammte und wirklich eine Adbar O’Maul war. Aber in Ambergris floss nicht das Blut von Königen, und so wies der Thron sie freundlich, aber bestimmt zurück, indem er die Energie anwachsen ließ, bis sie nicht mehr konnte.
Die Zwergin taumelte nach hinten.
»Das kann nicht sein«, murmelte sie, wusste aber, dass es die Wahrheit war. Das hier war keine Täuschung.
»Was?«, fragte Afafrenfere, der neben sie trat. Er streckte einen Arm nach dem Thron aus.
»Er wird dich auffressen«, warnte Ambergris.
Afafrenfere wandte sich ihr zu. »Dann mach du es«, verlangte er. »Hol einen oder zwei Edelsteine raus.«
Sie starrte ihn ungläubig an, dann lachte sie. »Nicht in zehn Elfengenerationen«, sagte sie. »Eher hol ich einem roten Drachen einen Rubin aus den Mahlzähnen.«
»Was machen wir dann damit?«, fragte der Mönch verärgert. »Das ist ein königlicher Schatz.«
»Weit mehr als das«, sagte Ambergris.
»Wir lassen den Thron in Ruhe«, erklärte Glorfathel. »Wie jeder andere, der je vor uns hier war – oder seine Dummheit mit dem Leben bezahlt hat.«
Nicht jeder, dachte Ambergris, sprach es aber nicht aus.
»Dann eben die Gräber«, schlug der Mönch vor.
»Wenn du auch nur einen Stein anrührst, schichte ich den nächsten Hügel für dich auf«, drohte Ambergris unmissverständlich. Ihre Nasenflügel waren gebläht und ihre Augen weit aufgerissen. Afafrenfere wich zurück.
»Versuch nie, einem Zwerg seinen Stolz zu nehmen.« Glorfathel lachte. »Ganz gleich, wie dunkel seine Haut.«
Ambergris nickte. Sie war froh, dass der Elf das Ausmaß ihrer Wut anerkannte.
Während Glorfathel zu dem Tunnel ging, den sie auskundschaften sollten, ruhte Ambergris’ Blick auf dem wundersamen Thron, und sie stellte sich noch einmal einen rotbärtigen Zwerg darauf vor, den König der Könige. Ihr letzter Blick vor dem Gehen galt den Gräbern und dem größten darunter, denn sie konnte sich vorstellen, wer dort begraben lag.
Bevor sie losmarschierte, gelang ihr noch eine leichte, unauffällige Verneigung.
»Drizzt!«, schrie Dahlia und hielt den Drow am Arm fest. »Es ist vorbei!«
Er stieß sie weg und setzte erneut an. Das Bild von ihrer Vereinigung mit Entreri hatte sich in seine Gedanken gebrannt.
Er würde diesen Gang bis nach Gauntlgrym leer fegen!
Wieder löste sich ein Pfeil von Taulmaril, nur um sofort zu erlöschen. Ein zweiter und ein dritter wurden auf ähnliche Weise dunkel, bis Drizzt mitbekam, dass Dahlia neben ihm hockte und mit ihrem ausgestreckten Stab die Energie aus jedem Blitz zu Kozahs Nadel hinzufügte.
Sie beschützte ihn!
Drizzt sah rot vor Wut. Anstatt zum nächsten Pfeil zu greifen, hob er seinen Bogen wie eine Keule, um Dahlia damit zur Seite zu schlagen.
Da löste sich die Dunkelheit auf, und beide hielten inne und blickten in den Gang.
Der Zauberer saß verrenkt an der Wand, Arme und Beine weit auseinander, das Kinn auf der Brust. Aus mehreren Löchern in seinem Leib stieg Rauch aus, und eine Stelle brannte sogar. Taulmaril der Herzenssucher hatte seinem Namen alle Ehre gemacht. Daneben lagen die rauchenden Überreste des Halbling-Schattens, der sich schutzsuchend zusammengerollt hatte, und etwas weiter hinten eine sehr stille, größere Gestalt. Die Wände waren durchlöchert. Es rauchte, und überall lagen Gesteinssplitter herum.
»Was war das denn?«, fragte Dahlia herrisch und stand auf.
Ernüchtert und ehrlich verwirrt senkte Drizzt den Bogen, trat hinter sie und blickte in den stillen, verrauchten Tunnel.
Fast hätte er den nächsten Pfeil abgeschossen, als der dritte Körper dort hinten sich plötzlich bewegte, doch ihm blieb keine Zeit dazu, als Artemis Entreri darunter hervorkam, der ein Messer schleuderte und mit gezückten Waffen auf ihn zustürmte.
Drizzt wehrte das geworfene Messer ab, indem er Taulmaril in seine Flugbahn warf, und zog seine Säbel, um Entreri aufzuhalten.
Entreri erreichte ihn, stieß mit dem Schwert zu, dann noch einmal und ging zu einer Drehung über, bei der er seinen Dolch hochriss, um den Drow niederzustechen.
Aber auch Drizzt fuhr herum und kam dem Dolch zuvor. Der Drow reagierte mit einem langen
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