Charons Klaue
Menzoberranzan gebracht«, erklärte Berellip ihrem Krieger. »Und ihn zuvorkommenderweise denen unter uns zur Verfügung gestellt, die neugierig darauf waren, was ein Mensch so vermag.«
»Ist er der, für den Ihr ihn haltet?«, fragte Jearth skeptisch.
»Am Rand des Klauenspalts, oh ja«, sagte Berellip, deren Tonfall verriet, dass dies offenbar eine angenehme Erinnerung war – zumindest aus ihrer Sicht.
Drizzt hätte am liebsten laut aufgelacht, so absurd erschien ihm die ganze Situation. Er zog es jedoch vor, den Mund zu halten, denn er dachte wieder an ihre Flucht aus Menzoberranzan. Wenn Berellip oder Jearth die einzelnen Puzzleteile zusammensetzten, wenn sie wussten, dass Entreri mit Drizzt Do’Urden aus Menzoberranzan entkommen war, würde diese Sache in einer Katastrophe enden.
»Sie gehören also zu Bregan D’aerthe«, erklärte Jearth.
»Es sieht so aus«, erwiderte Berellip, und Drizzt entspannte sich ein wenig.
»Eine Elfe?«, fragte Jearth ungläubig. »Die würde ich nicht am Leben lassen.«
»Nehmt sie, wenn Ihr wollt …«, begann Berellip, aber Entreri unterbrach sie.
»Sie ist Jarlaxles Gefährtin«, platzte er zu Drizzts Erstaunen heraus. »Seine beste Spionin, wie Ihr Euch sicher denken könnt, denn in den Dörfern der Elfen und Eladrin fällt sie überhaupt nicht auf.«
Schon Jearths Blick verriet Drizzt, dass der Meuchelmörder Dahlia gerade vor einem furchtbaren Schicksal bewahrt hatte: Vergewaltigung, Folter und am Ende der Tod.
»Ihr lasst Iblith für Euch sprechen?«, fragte Berellip Drizzt und baute sich vor ihm auf.
Drizzt hielt erneut den Atem an. Sie hatte Entreri erkannt – was, wenn sie auch ihn erkannte? Sie musste doch die Geschichten von Drizzt Do’Urden kennen, der sein Volk verraten hatte.
»Er ist Jarlaxles colnbluth«, erklärte Drizzt schließlich. »Ich diene Kimmuriel.«
»Und wer leitet Bregan D’aerthe?«, fragte Berellip.
»Kimmuriel«, sagte Drizzt prompt, obwohl das blind geraten war. In Wahrheit hatte er keine Ahnung, am allerwenigsten davon, inwieweit Berellip und Jearth über den Aufbau von Jarlaxles Bande Bescheid wussten.
»Warum erlaubt Ihr ihm dann zu sprechen?«
»Aus Respekt vor Jarlaxle«, erwiderte Drizzt. »So verlangt es Kimmuriel von uns. Wir schulden Jarlaxle Respekt. Ich diene Kimmuriel hier mit meinen Augen, während Jarlaxles colnbluth und seine Elfengefährtin diesen besonderen Ort auskundschaften.«
»Waffenmeister«, erklang eine Stimme aus dem hinteren Bereich, der für Drizzt nicht einsehbar war. »Die Shadovar wollen uns einkreisen. Wir müssen sofort aufbrechen.«
Jearth sah Berellip an.
»Macht sie los«, sagte die Priesterin. »Wir brauchen ihre Klingen. Steckt sie in einen Tunnel, wo es besonders hoch hergeht. Soweit ich mich erinnere, war Jarlaxles Spielzeug außergewöhnlich gut mit dem Schwert und mit dem Speer.« Sie beugte sich zu Entreri vor und flüsterte: »Wenn du dich im Kampf bewährst, könntest du überleben, und dann werde ich dir gestatten, mir erneut zu Gefallen zu sein.«
Bis hierher hatte sich die benommene Dahlia absolut still verhalten, aber jetzt keuchte sie leise auf, was Drizzt interessiert registrierte.
»Sie muss eine erstaunliche Geliebte gewesen sein, wenn du dich nach all den Jahren noch an sie erinnerst«, sagte Dahlia später zu Entreri, als die drei wieder allein waren.
»Ich kann mich überhaupt nicht an sie erinnern«, erwiderte Entreri.
»Aber … du hast doch diesen Vorfall geschildert«, wandte sie ein. »Diesen Klauen …?« Sie hob überfragt beide Hände.
»Den Klauenspalt«, warf Drizzt ein. »Ein Abgrund in der Stadt der Drow.«
»Und er erinnert sich daran und an die Begegnung daneben«, sagte Dahlia.
Drizzt sah sie nicht an, weil er fürchtete, nur die Bestätigung der Neugier in Dahlias Stimme wahrzunehmen. Wieder tauchten diese Bilder auf, Dahlia und Entreri in Leidenschaft vereint. Aber jetzt verstand Drizzt zumindest teilweise, woher sie kamen, schob sie beiseite und warnte Charons Klaue ohne Worte.
Wenn es Charons Klaue gewesen war. Das war der Knackpunkt. Denn wenn er ehrlich war, wusste Drizzt sehr wohl, dass nicht das Schwert ihm diese Gefühle gegenüber Dahlia und Artemis Entreri einpflanzte. Es hatte vielmehr eine gewisse Eifersucht in ihm entdeckt, die es nun nährte. Drizzt würde sich selbst belügen, wenn er so tat, als ob ihn die Nähe zwischen Entreri und Dahlia kaltließe, die weit über das hinausging, was er selbst mit dieser Elfenfrau teilte,
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