Charons Klaue
ganze Weile nach, bis ihm klar war, dass er nicht wirklich getrennte Wege einschlagen wollte. Wieder einmal stellte dieser Mann eine Verbindung zu einer Vergangenheit her, nach der es ihn verlangte, einer Zeit, in der ihm die Welt weitaus einfacher und angenehmer erschienen war. Aber trotzdem hörte er sich sagen: »Ja.«
»Dann wird er Alegni auf eigene Faust jagen, und nichts kann ihn davon abbringen. Ich habe den Schmerz in seinen Augen gesehen. Nichts kann ihn davon abbringen! Wir gehen also getrennt nach Niewinter und sind dadurch jeweils schwächer als …«
»Es gibt noch eine dritte Möglichkeit«, warf Drizzt ein.
Dahlia bedachte ihn mit einem neugierigen Blick.
»Man kann sich gegen ein solches telepathisches Eindringen schützen«, erklärte Drizzt, dem diese Idee gerade erst kam. Sie schien viele gegenwärtige Probleme zu lösen und seine aktuellen Befürchtungen zu lindern. »Jarlaxles Augenklappe – weißt du noch? Die konnte so etwas. Mit ihr hat sich der Söldner vor magischen und telepathischen Spionagezaubern geschützt, also genau dem, was das Schwert mit Entreri macht.«
»Wir müssen also nur Jarlaxle finden, und der hilft uns?«
»Er kennt Entreri ebenfalls schon sehr lange …«
»Er ist tot«, betonte Dahlia. »Du hast ihn sterben sehen. Du hast gesehen, wie er in die Grube des Urelementars gesprungen ist, kurz bevor das Ungetüm sein tödliches Feuer gespien hat. Akzeptiere das endlich, du Narr!«
Drizzt wusste keine Antwort. Er war sich nicht sicher, ob seine Hoffnung für Jarlaxle sich nicht nur darauf gründete, dass er das Offensichtliche nicht wahrhaben wollte. Jarlaxle war schon zu vielen Pfeilen ausgewichen. Allem Anschein nach war er in Gauntlgrym umgekommen, ja. Wer hätte den Ausbruch des Urelementars in diesem Lavasee schon überleben können?
Aber Drizzt hatte bereits früher den Fehler gemacht, seine besten Freunde für tot zu halten, ohne den Beweis vor Augen zu haben. Diesen Irrweg wollte er nicht noch einmal einschlagen. Vielleicht lagen Jarlaxles verkohlte Knochen irgendwo am Rand der Lavagrube, oder er war dem Elementar in sein loderndes Maul gestürzt, und nichts war von ihm geblieben.
Aber vielleicht auch nicht.
»Du nimmst Entreris Problem also als Vorwand, um mich noch einmal von hier wegzuführen«, folgerte Dahlia. »Um mich erneut von meinem Ziel abzubringen.«
Ihre Wut war überdeutlich. »Wenn wir Jarlaxle finden, umso besser, denn auch er wäre ein wertvoller Verbündeter«, sagte Drizzt. »Aber selbst wenn es uns nicht gelingt, gibt es Gegenstände oder Zauber, mit denen wir Entreri vor dem neugierigen Schwert schützen können.«
»Glaubst du, er hätte nicht längst nach so etwas gesucht?«
Darauf hatte Drizzt keine Antwort. Dahlias Bemerkung verriet zumindest, dass die Suche Monate währen könnte. Hatte Drizzt in den vielen Jahren seines Umherstreifens je etwas Ähnliches wie Jarlaxles Augenklappe gesehen, das den notwendigen Schild darstellen könnte? Und vor den Einflüsterungen von Crenshinibon hatte Jarlaxle nicht einmal die Augenklappe bewahrt, dachte der Drow. Er sah zu Entreri zurück, der jetzt mit dem Holz kam, und seufzte ergeben.
»Also – schickt ihr mich weg, oder nehmt ihr meine Hilfe an?«, fragte Entreri, als er zu ihnen trat, und das Feuerholz an die Grube legte, die der Drow ausgehoben hatte.
»Sind wir so leicht zu durchschauen?«, fragte Drizzt.
»Das ist die Diskussion, die ich führen würde, wenn die Sache andersherum stünde«, meinte Entreri.
»Und du würdest uns wegschicken?«
»Nein. Ich würde euch das Herz herausschneiden«, erwiderte der Meuchelmörder und ging daran, das Holz zu sortieren. »Das wäre nämlich das Einfachste.«
»Ich soll dir also lieber den Schädel einschlagen?«, fragte Dahlia. Falls das ein Scherz sein sollte, war es ihrer Stimme nicht anzumerken.
Entreri ließ einen Zweig fallen und drehte sich langsam zu ihr um. »Wenn das so einfach wäre, wäre ich längst tot«, sagte er ausdruckslos. »Und ich habe mich entschieden. Ich ziehe nach Niewinter, ob mit euch oder ohne euch.«
»Wir fürchten das Schwert«, erklärte Drizzt. »Sollten wir das nicht?«
Vielleicht war es die Aufrichtigkeit dieser Aussage, dachte Drizzt, oder dass er Entreris Worte nicht hinterfragte, sondern einfach auf etwas hinwies, das sich dem Einfluss des Meuchelmörders entzog, doch Entreri schien sich dabei jedenfalls zu entspannen.
»Gibt es eine Möglichkeit, dich vor seinem Eindringen zu schützen? Merkst du
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