Charons Klaue
Platz, aus dessen Richtung sie gekommen waren, erhob sich Lärm. Sie hörten Hörner und Schlachtrufe.
So wurden Entreri und Dahlia Zeuge, wie die Bürger von Niewinter nahten, angeführt von Jelvus Grins, mit erhobenen Fäusten und Waffen.
»Ein Aufstand«, flüsterte Entreri. Er wandte sich Dahlia zu, aber die flog bereits auf die Schlacht zu.
Entreri spornte den Nachtmahr an, und schon galoppierten dessen feurige Hufe über die Brücke. Vielleicht hatte er Erzgo Alegnis Ende verpasst. Wichtiger jedoch war, dass er Erzgo Alegni entronnen war!
Effron sah sich entsetzt um, als die Bewohner von Niewinter auf den Platz stürmten und seine Flanken angriffen, bevor die Shadovar überhaupt wussten, wie ihnen geschah.
Woher hatten die Bürger das gewusst? Wie konnten sie für diese unerwartete Gelegenheit bereitstehen?
Das war völlig unlogisch.
Er sah, was sich um ihn herum abspielte, und überlegte, ob und wie er die Shadovar zum Sieg führen könnte.
Dann bemerkte er das Nahen der Krähe – Dahlia! – und hinter ihr den gefährlichen Meuchelmörder. Außerdem entdeckte er den Drow, der im Fluss auf einem Stein stand und einen Weg zum Brückenpfeiler suchte. Er hatte Alegnis Schwert bei sich.
Das waren zu viele Gegenspieler, dachte er kopfschüttelnd. Zu viel Chaos und keinerlei Berechenbarkeit. Er sah die Riesenkrähe an, die jetzt auf ihn zuflog. Zu gern hätte er sie mit seiner Magie angegriffen.
Doch der verfluchte Panther hatte ihn zu viel Kraft gekostet.
Effron trat in die Schatten, zurück ins Schattenreich.
Der Zauberer Glorfathel sah die Zwergin an.
»Das ist es nicht wert«, sagte Ambergris. »Draygo wird eine Erklärung erwarten.«
Glorfathel nickte zustimmend und gab den anderen Shadovar-Adligen, die hier das Kommando führten, mit einem Wink seine Zustimmung.
Der Schattenschritt war dem Adel und verdienten Nesser-Kriegern vorbehalten, und wer dazu in der Lage war, nutzte ihn, und das waren natürlich die Anführer der verschiedenen Brigaden, die Kommandanten und die besten Krieger.
Die einfachen Schatten, die zurückblieben, waren nun erheblich in der Unterzahl und zudem ohne Anführer. Außerdem kämpften sie gegen zähe Siedler, die ihre Heimat verteidigten.
Und dann kam auch noch Barrabas, der bisher ihr größter Held gewesen war und nun mit Ingrimm auf sie eindrang.
Und es kam Dahlia, bisher ihre stärkste Gegnerin, mal als wütende Riesenkrähe, dann wieder als die Elfenkriegerin, die sie zu fürchten gelernt hatten.
Wenn Alegni auf der Brücke gesiegt hätte, hätte die Stadt ihnen gehört. Wenn Effron und die anderen nicht geflohen wären, hätten sie eine Chance gehabt.
Glorfathel dachte an Draygo Quicks Anweisungen, und die Entscheidung fiel ihm nicht schwer. Er tauchte nicht wie Effron im Schatten unter, sondern beschwor ein Tor auf dem Platz, ein schwarz-rotes, glühendes Tor, durch das er seine Untergebenen verschwinden ließ.
»Ich rufe sie selbst herein«, versicherte ihm Ambergris.
Zu diesem Zeitpunkt schien das Glorfathel kaum zu kümmern, und er war auch der Erste, der durch das Dimensionstor trat.
Aber nicht der Letzte.
Viele Schatten kamen um, viele andere flohen durch das Tor oder über die Stadtmauer, und wieder andere, besonders die auf der anderen Seite der Brücke, ergaben sich, als der Kampf um Niewinter in eine Rebellion ausartete.
Amber Gristle O’Maul von den Adbar O’Mauls kämpfte auf der Seite der Garnison von Niewinter, nachdem die Zwergin ihr schattenhaftes Äußeres abgelegt hatte, indem sie eine der schwarzen Perlen aus ihrer verzauberten Perlenkette gedreht hatte. Sie wusste offenbar, wer hier siegen würde, und Ambergris gehörte immer gern zu den Siegern.
Mitten in der Schlacht stand Arunika, die ein Schwert in der Hand hielt. Mehr als ein Shadovar sprang auf die zierliche Frau zu, weil er sie für eine leichte Gegnerin hielt, nur um gleich darauf tot umzufallen.
Als der Sukkubus sah, wie die Reihen der Shadovar sich lichteten, wusste Arunika, dass sie ihre Trümpfe perfekt ausgespielt hatte.
Die gefährlichen Tayer waren besiegt, und jetzt ergriffen auch die Shadovar die Flucht.
Nun würde es nicht lange dauern, bis das Herrschaftsgebiet zurückkehrte, und wenn nicht, würde Arunika trotzdem eine wichtige Rolle einnehmen.
Bruder Anthus kam ihr tränenüberströmt entgegen. Er zitterte und wies erstaunlich wenige Blutspritzer auf. Einen Augenblick lang fürchtete Arunika, er hätte eine schlimme Wunde davongetragen.
Aber nein – das
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