Chasm City
immer eine letzte Mahlzeit zu sich. Vielleicht war diese Schlange noch zu klein, um sich mit einem Baum zu verbinden, aber es gab keinen Grund zu der Annahme, sie wäre nicht hungrig.
So langsam und fließend, wie ich nur konnte, entsicherte ich das Gewehr und spürte die schwache Vibration, mit der sich die Zellen aktivierten. Ein leises, ansteigendes Winseln begleitete den Prozess.
Das Gewehr lockte die Schlange an. Der Kopf senkte sich zu mir herab.
»Die Waffe ist jetzt einsatzbereit«, erklärte das Gewehr munter.
Die Schlange stieß zu, das breite Maul klappte auf, die beiden im roten Gaumendach sitzenden Augen für die Angriffsphase funkelten mich an, nahmen Maß.
Ich schoss – in das Maul hinein.
Der Kopf krachte neben mir zu Boden. Durch die Laserimpulse abgelenkt, hatte er sein Ziel verfehlt. Empört bäumte sich die Bestie auf. Das weit aufgerissene Maul entließ ein entsetzliches Gebrüll und stank wie ein Schlachtfeld voll verwesender Leichen. Ich hatte rasch hintereinander zehn Schüsse abgegeben, eine Blitzsalve, die zehn schwarze Krater in den Gaumen des Tieres gerissen hatte. Die Austrittswunden – jede etwa fingerbreit – hatten den Hinterkopf durchsiebt. Die Schlange war jetzt blind.
Aber sie hatte sich eine ungefähre Erinnerung daran bewahrt, wo ich war. Ich fuhr zurück, als der Kopf ein zweites Mal nach unten schoss – und dann blitzte es metallisch auf, und ich hörte das Schwirren von Cahuellas Armbrust.
Sein Pfeil hatte sich in den Hals der Schlange gebohrt und gab auf der Stelle seine Betäubungsmittel-Ladung ab.
»Tanner! Verdammt, hauen Sie ab!«
Er griff in seinen Patronengurt, holte einen zweiten Pfeil heraus, spannte die Armbrust und legte ihn ein. Im nächsten Augenblick saß er neben dem ersten Pfeil im Hals der Schlange. Wenn Cahuella richtig gerechnet hatte und die beiden Pfeile für große ausgewachsene Tiere bestimmt waren, musste dieses Exemplar nun etwa das Sechzehnfache der Dosis intus haben, die es zum Einschlafen brauchte.
Ich befand mich inzwischen außerhalb der Gefahrenzone, aber ich hörte nicht auf zu schießen. Denn jetzt erkannte ich, dass wir noch ein Problem hatten… »Cahuella…«, sagte ich.
Er hatte wohl bemerkt, dass ich an ihm vorbei schaute, denn während er nach einem weiteren Pfeil griff, hielt er plötzlich in der Bewegung inne und warf einen Blick über die Schulter.
Die zweite Schlange hatte sich nach hinten gebogen und streckte nun auf der linken Seite der Piste nur zwanzig Meter von Cahuella entfernt den Kopf aus dem Wald.
»Der Notruf…«, sagte er.
Bis jetzt hatten wir nicht einmal gewusst, dass die Schlangen überhaupt rufen konnten. Aber er hatte Recht: als ich auf die kleinere Schlange schoss, war die größere aufmerksam geworden, und jetzt saß Cahuella zwischen zwei Hamadryaden in der Falle.
Doch dann starb die kleinere Schlange.
Es ging nicht so schnell. Der Kopf sank zu Boden wie ein landendes Luftschiff, denn der Hals sackte unaufhaltsam in sich zusammen und konnte ihn nicht mehr tragen.
Jemand legte mir die Hand auf die Schulter.
»Geh zur Seite, Bruder«, sagte Dieterling.
Mir kam es vor wie eine Ewigkeit, seit ich aus dem Wagen gestiegen war, aber in Wirklichkeit war wohl nicht mehr als eine Minute vergangen. Dieterling konnte nicht weit hinter mir gewesen sein, doch Cahuella und ich hatten uns fast die ganze Zeit völlig allein gefühlt.
Ich sah, was Dieterling in Händen hielt und verglich es mit der Waffe, die ich für die geeignete gehalten hatte.
»Gute Wahl«, sagte ich.
»Für jede Arbeit das richtige Werkzeug, das ist das Geheimnis.«
Er drängte sich an mir vorbei und hob die mattschwarze Bazooka, die er aus dem Waffenständer geholt hatte, an die Schulter. Das Flachrelief am Schaft stellte einen Skorpion dar, an einer Seite ragte ein riesiges, halbrundes Magazin heraus. Ein Zielbildschirm brachte sich schwirrend vor seinen Augen in Position und zeigte scrollende Daten und Fadenkreuz-Overlays. Dieterling klappte ihn weg, schaute hinter sich, um sich zu vergewissern, dass ich nicht vom Rückstoßstrahl erfasst werden konnte, und zog den Abzug durch.
Zuerst sprengte er ein Loch so groß wie ein Tunnel durch die erste Schlange. Dann watete er mit schmatzenden Stiefeln durch die widerliche rote Brühe auf Cahuella zu.
Der jagte gerade seinen letzten Pfeil in die größere Schlange, aber inzwischen hatte er nur noch Betäubungsmittelmengen für sehr viel kleinere Tiere. Die Schlange schien gar nicht zu
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