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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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zurückgekommen und hätten Dominika umgebracht?«, fragte ich.
    »Ich würde sagen, sie stehen ziemlich weit oben auf der Liste der Verdächtigen, Tanner. Und du hast immer noch keine Ahnung, wer sie sein könnten?«
    Ich zuckte die Achseln. »Ich bin offenbar ein sehr gefragter Mann.«
    Pransky räusperte sich. »Vielleicht sollten wir, hm…« Er deutete mit einer grauen Hand auf den inneren Bereich des Zeltes.
    Wir betraten den Raum, in dem Dominika ihre Operationen durchzuführen pflegte.
    Sie schwebte einen halben Meter über der Operationsliege auf dem Rücken. Gehalten wurde sie in dieser Position von dem dampfbetriebenen, an einem ausfahrbaren Arm befestigten Metallharnisch, der ihren Unterleib umschloss. Die Pneumatik zischte noch, zarte Dampffinger ringelten sich zur Decke empor. Dank ihrer Topplastigkeit war sie so weit nach hinten gekippt, dass die Hüften höher waren als die Schultern. Bei einer dünneren Frau wäre der Kopf wahrscheinlich zur Seite gerollt, aber bei Dominika wurde der Hals durch die Speckrollen fixiert, sodass das Gesicht weiter zur Decke schaute. Ihre Augen waren weit geöffnet, glasig und so verdreht, dass man nur das Weiße sah. Der Unterkiefer hing schlaff herunter.
    Der Körper war mit Schlangen bedeckt.
    Die größten hingen reglos herunter, um ihre Taille drapiert wie gemusterte Schals. Dass sie tot waren, unterlag keinem Zweifel; jemand hatte ihnen mit einem Messer den Bauch aufgeschlitzt, und sie hatten rote Bänder auf die Liege geblutet. Etliche kleinere waren noch am Leben und hatten sich auf ihrem Bauch oder dem Operationstisch zusammengerollt, aber sie bewegten sich kaum, als ich – mit größter Vorsicht – nähertrat.
    Mir fielen die Schlangenverkäufer ein, die ich im Mulch gesehen hatte. Daher stammten diese Tiere. Man hatte sie lediglich gekauft, um das Stillleben detailreicher zu gestalten.
    »Ich sagte Ihnen ja, es ist kein schöner Anblick.« Pranskys Stimme zerriss das benommene Schweigen. »Ich habe in meinem Leben schon einige kranke Dinge gesehen, glauben Sie mir, aber das muss…«
    »Es hat Methode«, sagte ich leise. »Es ist nicht so krank, wie es aussieht.«
    »Sie müssen den Verstand verloren haben.« Pransky hatte es ausgesprochen, aber ich bezweifelte nicht, dass alle Anwesenden seine Meinung teilten. Ich konnte es ihnen nur schwer verdenken, obwohl ich wusste, dass ich Recht hatte.
    »Was soll das heißen?«, fragte Zebra. »Wieso Methode…«
    »Es ist eine Botschaft«, sagte ich und ging um den schwebenden Körper herum, um Dominika besser ins Gesicht sehen zu können. »Eine Art Visitenkarte. Und die Botschaft ist für mich bestimmt.«
    Ich berührte Dominikas Gesicht. Unter dem leichten Druck meiner Hand drehte sich ihr Kopf ein wenig zur Seite, sodass auch die anderen die saubere Wunde mitten auf ihrer Stirn sehen konnten.
    »Denn«, sagte ich und sprach damit zum ersten Mal eine Wahrheit aus, die ich nun schon seit einiger Zeit kannte, »das hat Tanner Mirabel getan.«
 
    Irgendwann kurz vor meinem sechzigsten Geburtstag – wobei gesagt werden muss, dass ich nicht nur längst aufgehört hatte, die Jahre zu zählen (wozu, wenn man unsterblich war?), sondern auch meine Daten in den Schiffsunterlagen entsprechend geändert hatte – erkannte ich, dass die Zeit zum Handeln gekommen war. Die Wahl des Zeitpunkts lag nicht unbedingt in meinem Ermessen, ich hatte keinen Einfluss auf den Ablauf der Reise, aber wenn ich wollte, konnte ich den Augenblick auch ungenützt vorübergehen lassen und die Pläne vergessen, die mich ein halbes Leben lang so sehr beschäftigt hatten. Ich hatte alles so sorgfältig vorbereitet, dass diese Pläne, hätte ich sie aufgegeben, nie ans Licht gekommen wären. Für kurze Zeit gab ich mich dem bittersüßen Vergnügen hin, zwei völlig gegensätzliche Zukünfte gegeneinander zu stellen: in der einen triumphierte ich; in der anderen unterwarf ich mich demütig dem Wohl der Flottille, auch wenn ich damit Nachteile für meine eigenen Leute in Kauf nahm. Und einen winzigen Moment lang schwankte ich.
    »Auf mein Zeichen«, sagte der Alte Armesto von der Brasilia.
    »Bremsschuh, Zündung in zwanzig Sekunden.«
    »Verstanden«, sagte ich von der hohen Warte meines Kommandosessels auf der Brücke. Zwei weitere Stimmen wiederholten die Bestätigung knapp hintereinander; die Captains der Bagdad und der Palästina.
    Journey’s End, das Ziel unserer Reise, lag vor uns. Sein Stern, der hellere der beiden 61 Cygni-Sonnen,

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