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Cheffe versenken (German Edition)

Cheffe versenken (German Edition)

Titel: Cheffe versenken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Güth
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drei dicke Ringe an ihren Fingern.
    »Ist das nicht ein bisschen overdressed für diesen Anlass?«
    Ich dachte, sie verstünde meinen Scherz, aber sie wurde ernst und schnaubte: »Glaubst du, ich gehe ohne meine Identität aus dem Haus? Edelsteine haben schließlich eine Bedeutung. Schau mal dieser Granat hier.«
    Sie hielt mir einen brombeerfarbenen Schmuckstein entgegen.
    »Der gilt als Krisenhelfer in auswegslosen Situationen. Wunderbar!«
    Entrückt betrachtete Edith ihren Ring.
    Her mit dem Klunker. Wenn jemand einen Krisenhelfer gebrauchen kann, dann ich , dachte ich bei mir. Außerdem passte die Farbe nicht zu ihrem Trainingsanzug.
    Ich zog meine Schuhe aus und fühlte den kalten Tau an meinen Füßen. Die morgenfrische Erde belebte auch den Rest meines Körpers, und mit einem tiefen Luftzug begann ich die erste Übung.
    Edith schwang voller Elan ihre Arme in die Luft und atmete geräuschvoll stoßweise ein und aus. Ich schaute mich um und hoffte, dass kein vorbeilaufender Jogger Ediths Verzückung missverstehen würde.
    Ich wusste zwar, dass stoßweise Atmung bei Meerschweinchen ein Zeichen für eine Bronchitis war, doch ich konnte mich nicht erinnern, diese Atmung in unserem Tai-Chi-Unterricht gelernt zu haben. Unauffällig stellte ich mich einige Meter weiter auf und versuchte, mich auf Loi, Jai und die Yin-Yang-Fisch-Figur zu konzentrieren. Hoffentlich hatte Edith sich bis zum Arbeitsbeginn ausgepustet.
    Als wir unsere Übungen beendeten, fühlte ich mich überraschend wach und entspannt zugleich. Beschwingt setzte ich mich auf eine Bank und streckte die Beine in die Luft, um meine Füße in der Sonne trocknen zu lassen.
    »Tolle Idee«, stimmte Edith mir zu, obwohl sie die ganze Zeit über ihre weißen Turnschühchen anbehalten hatte.
    Der dünne Stoff war total durchnässt, und Edith zog angewidert die Schuhe aus. Gerade als sie frische Söckchen und ein paar blaue Schuhe derselben Marke aus ihrem mitgebrachten Turnbeutel hervorkramte, schoss ein kleiner Beagle aus dem Gebüsch heran und schnappte sich einen der nassen Treter.
    Edith sprang auf, doch der Beagle war samt Schuh genauso schnell verschwunden, wie er gekommen war. So als hätten sie sich abgesprochen, tauchte ein zweiter Hund auf. Es war ein kleiner Mischling und nicht annähernd so schnell wie der Beagle. Der zottelige Kläffer hatte nur drei Beine und humpelte ausgerechnet auf die aufgebrachte Edith zu.
    »Guck mal, der arme Hund! Dem fehlt ein Bein«, rief ich erschrocken.
    »Und auch ein Auge«, tönte Edith erbost. Der kleine Hund hinkte mit dem ihm möglichen halbblinden Schwung vor ihr Schienbein und schüttelte sich benommen. Edith stand wie angewurzelt, ihr Atem ging wieder stoßweise. Immerhin besaß der Hund noch eine funktionierende Schnauze, mit der er sogleich auf dem Boden herumschnüffelte. Als er den zweiten weißen Turnschuh witterte, biss er sogleich hinein. Zähne hatte er offenbar noch. Edith erwachte aus ihrer Schockstarre, griff blitzschnell mit der einen Hand den Schuh, mit der anderen ihren Turnbeutel und drosch auf den kleinen Schwerbehinderten ein.
    »Edith, spinnst du?«, schrie ich, doch Edith schlug weiter zu, während der Schuhdieb seinerseits keine Anstalten machte, den mühsam erbeuteten Fang loszulassen.
    Ich sprang zwischen die beiden ungleichen Kämpfer und entriss Edith den Turnbeutel.
    »Der kommt doch sowieso keine zwei Meter weit«, brüllte ich Edith an.
    Im selben Moment ließ der Hund den Schuh aus seinem Maul fallen und humpelte jaulend davon.
    Wir schauten uns um, doch weit und breit gab es kein Herrchen zu diesem tierischen Bonnie-und-Clyde-Verschnitt.
    »Halt du nur zu der giftigen Töle! Wenn ich den Besitzer finde, kriegt der ’ne saftige Anzeige!«, meckerte Edith und verstummte beleidigt.

Windböe
    Nachdem wir uns im Verlag umgezogen und unsere Arbeitsplätze eingenommen hatten, begannen wir schweigend mit der Erfüllung unserer Aufgaben – jede auf ihre Art: Edith las eine Fachzeitschrift über Reiseliteratur, und ich packte mein Lunchpaket aus.
    Es klopfte, und ich übernahm das förmliche »Herein«.
    Alan öffnete zögerlich die Tür, und zwei zu lange Blicke flogen sich überkreuzend durch den Raum.
    »Na, ausgeschlafen?«, erkundigte er sich und zwinkerte kurz. Nicht nur der Wärmegrad meiner Füße war inzwischen weit höher als auf Betriebstemperatur gestiegen.
    Edith ließ ihr Fachblatt fallen und starrte zwischen Alan und mir hin und her.
    »Ja, ich habe gut geschlafen, aber

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