Cheffe versenken (German Edition)
Chefsekretärin stellte sich kerzengerade vor den Tisch und sah auf mich herab.
»Hier sind Sie also! Herr Bellersen lässt fragen, wie es Ihnen geht. Wie ich sehe, sind Sie wieder wohlauf?«
Ich wusste nicht, warum, aber irgendwie hatte die Frau etwas Strenges und Herzliches zugleich. Auf meiner persönlichen Sympathieskala konnte ich sie beim besten Willen weder unten noch oben einordnen. Mit ihrer bewundernswerten Professionalität pendelte sie stolz im neutralen Mittelfeld.
»Es ist alles wieder o. k., Frau Heyster. Und, ähm, sagen Sie, wie geht es Frau Strowe?«
Auch wenn ich es lieber nicht wissen wollte, der Höflichkeit halber musste ich fragen.
»Sie hat nur leichte Prellungen am Bein und an der Hüfte. So schnell kommt Frau Strowe nicht unter die Räder. Dazu hätten Sie schon einen Radlader haben müssen.«
Ein winziges Zucken hob ihren rechten Mundwinkel für einen kleinen Augenblick nach oben.
Mir fiel eine komplette Steilküste vom Herzen.
»Da bin ich aber froh«, antwortete ich beflissen. »Ich werde gleich bei ihr vorbeischauen und mich entschuldigen. Außerdem hat sie noch eine Aufgabe für mich.«
»Vielleicht warten Sie bis heute Nachmittag. Frau Strowe ist noch ziemlich aufgebracht und sprach davon, Sie anzuzeigen.«
Mir verschlug es die Sprache.
»Möglicherweise hat sie sich nach dem Essen wieder beruhigt. Nur ein kleiner Tipp meinerseits.«
Frau Heyster schob ihre Brille zurecht und verabschiedete sich.
»Eine Anzeige? Ich habe sie doch nicht absichtlich angefahren.«
»Lass mal, Trixi. Ich rede gleich mit ihr. Eine Anzeige ist doch völliger Blödsinn. Manchmal muss man Yvonne einen Eimer Realität über den Kopf schütten, um ihr hitziges Gemüt abzukühlen. Ich kenne sie.«
Ich stellte mir seine Idee bildlich vor und musste lachen.
Alan stand umständlich von seinem Stuhl auf. Dabei berührten sich die Außenseiten unserer Oberschenkel. Meiner begann zu kribbeln. Mit welcher Energie war dieser Mann geladen?
»Ich muss jetzt die nächste Verlagsvorschau layouten. Wir sehen uns dann später, Trixi!«
Auch ich stand umständlich auf. Am liebsten wäre ich bei ihm geblieben, so wohl fühlte ich mich in seiner Gegenwart.
»Ciao, Alan.«
Wie benommen wandelte ich zurück in mein Büro.
Hätte ich gewusst, was mich an diesem Tag noch erwartete, wäre ich tatsächlich besser im Grafikbüro sitzen geblieben.
»Bist du eigentlich vollkommen durchgeknallt?«
Edith lief vor ihrem Schreibtisch auf und ab. Sie schwitzte und schüttelte ihr kleines Fliegenpilzköpfchen so, als wolle sie sich damit Abkühlung verschaffen.
Ich war relativ gelassen, denn ich hatte keinerlei Vorstellung, was ich angestellt haben sollte.
Sie begann hektisch, in ihren Schubladen zu kramen.
»Warte, ich hab’s gleich!«
Kram. Schublade zu, Schublade auf. Kram. Nächste Schublade.
»Hier steht’s.«
Edith zog ein vergilbtes Blatt hervor und hielt es mir unter die Nase. Als ich es nehmen wollte, riss sie es blitzschnell zurück und begann vorzulesen.
»Auszug aus der Hausordnung, Paragraph 21: Beziehungen unter Mitarbeitern, Kollegen und Vorgesetzten, die über das innerhalb freundschaftlicher Verhältnisse normale Maß hinausgehen, sind zu unterlassen.
Wenn Tendenzen zur Entwicklung einer sexuellen Beziehung erkennbar sind, obliegt es einem/einer der jeweiligen Partner/-innen, die Beziehung zu beenden oder den beruflichen Wirkungskreis zu wechseln. Ein Verstoß gegen diesen Paragraphen kann zu einer fristlosen Kündigung führen.«
Edith pfefferte mir das Blatt vor die Nase und stemmte die Hände in die Hüften.
»Ja und?«, sagte ich trotzig. Ich hatte Alan ja noch nicht einmal geküsst. War so ein Paragraph überhaupt rechtmäßig?
»Wie, ja und? Glaubst du, ich habe nicht gesehen, wie du Alan anschmachtest? Hat Bellersen dir beim Einstellungsgespräch nicht gesagt, dass er keine Pärchen duldet?«
»Nein, hat er nicht! Außerdem sind wir kein ›Pärchen‹.«
In was für einen spaßlosen Haufen war ich hier bloß hineingeraten?
»Das hörte sich vorhin aber ganz anders an. ›Gut geschlafen?‹, ›Mordshunger‹. Euer Tempo ist nicht schlecht dafür, dass ihr euch erst seit ein paar Tagen kennt.«
Da hatte Edith sich aber einiges zusammengesponnen.
Ich erzählte ihr von meinem kleinen Unfall und dass Alan mich lediglich nach Hause begleitet hatte. Von meinen Ideen zur Trauerbewältigung erzählte ich nichts.
Edith beruhigte sich langsam.
»Ich kann dich trotzdem nur warnen, Trixi
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