Cherryblossom 2 - Nymphenherz (German Edition)
riss die Tür mit einem Ruck auf. Seine geflüsterte Bitte zu bleiben und zuzuhören, hörte ich zwar noch, aber ich konnte in diesem Zimmer mit dem Tod, der Entrüstung, dem Erstaunen und diesem Monster nicht länger bleiben.
Fluchtreflexe
Olivia befand sich offensichtlich in einem wahren Schwatzmodus, dessen Ende nicht abzusehen war. Lennox nickte dann und wann an den für ihn richtigen Stellen oder gab einen kurzen zustimmenden Laut von sich, wenn er es für erforderlich hielt.
An dem Fenster des ICEs rasten die schwarzen Bäume in der Nacht nur so vorbei und Lennox hing seinen Erinnerungen nach. Es war etwa halb zwei in der Früh und um halb fünf sollten sie am Münchener Hauptbahnhof ankommen. Sie hatten einen alten Freund in Hamburg besucht. Einen Zeitwandler namens Old Georg. Über ihn hatte n sie von einem Ort in der Münchener City erfahren, an dem sich ein ehemaliges Mitglied des Ordens des Blutmondes aufhielt. Es hieß, dieser Orden habe die Anschläge auf den Zeitwandler-Rat verschuldet. Irgendwie schien ihm das absurd. Der Orden war über die Jahrhunderte mehr als friedliebend gewesen.
»Hörst du zu? Ich denke , wir sind auf dem Holzweg. Ich meine, überleg doch mal. Old Georg hat schon seit ewigen Zeiten engen Kontakt zu dem Orden und hält ihn für einen der friedfertigsten Zirkel, die es je gab …« Olivia redete fleißig weiter, sprach den einen oder anderen seiner eigenen Gedanken aus und warf ihm einen leidgeprüften Blick zu.
Er runzelte die Stirn und ihre Worte verloren sich wieder in einem Strudel aus Gedanken. Sie hatte recht. Old Georg war mehr als überrascht über diese Vermutung gewesen. Aber das hieß gar nichts. Außer diesem Orden gab es keine anderen Vereinigungen von Hexenwesen mehr. Sie hatten sich allesamt im Laufe der Jahrhunderte aufgelöst. Es reichte nur ein Fanatiker unter ihnen und es wäre vorbei mit der Friedfertigkeit.
»Lennox! Hast du schon einmal darüber nachgedacht, dass die gesamte Hexenwelt nichts von Hanna wu sste? Bis jetzt?« Das Schweigen dauerte eine halbe Atempause. »Ich meine, ihr wusstet es. Der Rat, du, Dawn natürlich. Aber die Hexenwesen … Ich glaube nicht, dass Ben die Tatsache, dass eine der Cherryblossomhexen lebt, sonst entgangen wäre. Er hat überall seine Ohren, du weißt wie er ist und wie weit er herumkommt.«
Beim Gedanken an Ben bemerkte er das tiefe Grollen, das in seiner Kehle feststeckte. Ben war , seitdem er ihn kannte, ein mehr als ehrgeiziger Mensch gewesen, selbst vor der Erweckung zum Hexer durch Dominik Dawn, Hannas Vater. Er hatte ein Gespür für Geheimnisse und dafür, bei wem es sich lohnte Stellung zu beziehen, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Alleine deshalb konnte er ihn nicht ausstehen. Er suchte überall seinen Gewinn und sein derzeitiger Jackpot schien die Ehe mit Hanna zu sein. Das Mädchen, das er liebte, wie nie eine Frau zuvor. Das ihn und sein Herz zurück in die Welt geholt hatte. Er verzog seinen Mund.
»Lennox, bist du überhaupt anwesend?« Wieder nur eine Millisekunde Pause und sie redete weiter. »Ich meine, es ist schon irgendwie seltsam, Ben hat mir oft erzählt, dass die Macht des Ordens des Blutmondes begrenzt ist. Ein Haufen Mönche, mehr nicht. Ich meine, deshalb hat es ihn nie dorthin gezogen. Er zog es vor, sich an anderen Stellen ausbilden zu lassen. Bei Hexern wie Magnus Gutenberg, die eine Verbindung zu uns Zeitwandlern pflegten. Die Macht versprachen.«
Lennox legte stöhnend seinen Kopf an das kühle Glas der Scheibe und sah nach draußen. Der Zug fuhr in einen Tunnel ein und das Abteil wurde in gelbes Licht getaucht.
Er musste an den Rat denken, an die zwielichtigen Zeitwandler unter ihnen. Und an einen Uralten. Es sah seine letzte Begegnung mit diesem überaus mächtigen Dämon vor seinem inneren Auge. Als wäre es erst gestern gewesen. Lennox erinnerte er sich an den Schock, als er begriffen hatte, dass der Zeitwandler sich von dem Grauen der Kinder nährte, wenn sie erkannten, dass es nicht der liebe gute Weihnachtsmann war, der sie so böse anschaute. Der nicht mehr lächelte, wenn er sie packte und ihnen ihre Lebenskraft raubte, die Jugend, die Energie, den Eigensinn. Er nährte sich ebenso von ihrer Aufmüpfigkeit, wie auch von ihrer Angst, wenn sie erkannten, dass sie sich ein Spielzeug von dem Teufel gewünscht hatten. Es waren ausnahmslos die willensstarken und ungehorsamen Sprösslinge, die Santa stahl. Lennox hörte die Schreie des Kindes und musste an den Schmerz
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