Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)
stemmten sie sich immer wieder dagegen. Die Lippen einer Frau, deren rechte Gesichtshälfte fast bis auf die Knochen verbrannt war, bewegten sich unaufhörlich. Sie sagte irgendetwas mit flehendem Ausdruck in den Augen. Ich stolperte schaudernd zurück.
Ein anderer weiter hinten öffnete ein Fenster und sprang in seiner Mutlosigkeit einfach hinaus ins Ungewisse. Magnus schloss vor meinen Augen unbeirrt die Tür. Der flehende Blick dahinter verschwand.
»Wir müssen ihnen helfen! «, schrie ich aufgebracht. Lennox hielt mich fest an sich gedrückt. »Das geht nicht«, sagte Magnus, sachlich und kurz, darauf bedacht, mich nicht anzuschauen.
Ich glaubte nicht, was ich da hörte und versuchte, mich gegen Lennox’ Griff aufzubäumen, was meine Lunge allerdings mit einem Hustenanfall quittierte.
»Wir müssen hier raus, und das möglichst unauffällig. Wie unauffällig sind wir mit so vielen Personen? Es wird so schon riskant genug. Und ich denke, wir haben alle kein Interesse daran, vom Regen in die Traufe zu kommen .«
»Wie meinen Sie das? Das Feuer ist ja auch nicht gerade unauffällig! Vielleicht ist die Feuerwehr schon da draußen und kann uns hier rausholen?« Ich sah in die ratlosen Gesichter, die mich umgaben.
»Hanna, hier wird uns niemand so schnell helfen, eher im Gegenteil. Ich denke, Magnus ist davon überzeugt, dass draußen noch Unangenehmeres auf un s warten könnte.« Begriffsstutzig sah ich Lennox an. Ben stöhnte schwer auf und half seinem Tutor, ein kleines altes Fenster zu öffnen.
»Gott sei Dank«, murmelte Olivia, die nicht mehr ganz so furchtlos wirkte wie sonst, als sie das Stahlseil entdeckte. Es war vom Fenster aus bis in den angrenzenden Wald gespannt. »Gott hat damit nichts zu tun, meine Liebe. Das nennt man Vorsicht und vorausschauende Lebensweise.« Magnus Gutenberg lächelte stolz, was in Anbetracht der Umstände etwas Groteskes hatte. Konzentriert gab er Olivia und Ben eine Rolle mit zwei Lederschlaufen daran in die Hand.
»Ihr müsst sie euch teilen, ich hab nur drei. Verhaltet euch ruhig und wartet unten auf uns.« Mit einer flüssigen Bewegung warf er Lennox und mir auch eine zu und schubste Olivia und Ben an, die nun mit einem Surren das Stahlseil hinunterrasten. Olivia kreischte kurz auf und der Hexenmeister verzog sein Gesicht.
»Was genau hat sie nicht an ruhig verhalten verstanden?« Er schüttelte langsam den Kopf und schob die Augenbrauen zusammen, was ihm einen zerstreuten Ausdruck verlieh.
Lennox schob mich auf seinen Rücken. Ängstlich klammerte ich mich mit einem Würgegriff um seinen Hals und schlang meine Beine um seine Taille, als es auch schon in atemberaubender Geschwindigkeit bergab ging.
Mein Herz schlug mir wie wild bis zum Hals, ich konnte nicht atmen, mein Magen wurde zusammengepresst. Die Bäume kamen schnell näher und ich fragte mich gerade, womit man dieses Ding stoppen würde, als wir mit einem Krachen durchs Geäst brachen. Ein Baum raste direkt auf uns zu. Ich riss die Beine von Lennox’ Taille, spürte den Boden unter meinen Füßen und versuchte zu bremsen, ohne viel Erfolg. Ich stolperte, ließ Lennox los und noch im Fallen bemerkte ich meinen Fehler. Mit großer Wucht kam ich auf dem trockenen Waldboden auf, die Luft blieb mir weg und ich sah Sterne vor meinen Augen tanzen. Der Wald drehte sich, ich rollte mich mühsam auf den Rücken und sah gerade noch Magnus federnd und elegant vor mir aufkommen. Zweifelsohne hatte er das schon öfter gemacht.
Hinter mir hörte ich Lennox ächzen und wand mich, auf dem Rücken liegend, mühsam in seine Richtung. Er klopfte sich den Schmutz von den Klamotten und reichte mir anschließend die Hand, um mir aufzuhelfen. Mit einem unerwarteten Ruck zog er mich auf die Beine, sodass mir ganz schwindelig wurde und ich wankend zum Stehen kam.
»Alles okay?«, flüsterte er mir zu und zog mich an sich.
Ich nickte, mein Blick zum Flammenmeer des Hauses gerichtet. Olivia und Ben starrten auch wie gebannt in die Flammen. Der Nachthimmel war hell erleuchtet, roter Rauch stieg in den Himmel auf und verbarg die sternenklare Nacht, die wir vorhin noch bewundert hatten. Das Haus brannte lichterloh. Von Weitem hörte man Sirenen, die sich rasch näherten. Im Schein des Feuers sah man einige Gestalten sich vom Haus entfernen. Man konnte allerdings nicht sagen, ob es die Attentäter oder flüchtende Opfer waren.
»Wir müssen eine Zeit untertauchen, und das meine ich wortwörtlich.« Magnus machte sich an einer
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