Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)
hin. Halb in der Erwartung, noch irgendwelche verwesenden Leichen zu entdecken, kniff ich die Augen zusammen und hielt mich fest an Bens Arme geklammert.
»Alles in Ordnung?« Ich machte einen kleinen Systemcheck. Alles in Ordnung! So langsam sollte ich mich an diese Schocksituationen gewöhnen. Einige mottenzerfressene Kleidungsstücke lagen vor und auf dem Boden und in dem Schrank lag eine große Glaskugel in eines der unteren Regale. Ich sah auf in Bens Gesicht. Er hatte den Blick die ganze Zeit aufmerksam auf mich gerichtet, als hätte er befürchtet, dass ich einen Nervenzusammenbruch erlitten hätte.
»Was ist hier los?« Lennox kam ins Zimmer gestürzt und wirkte misstrauisch. Mit plötzlichem Unbehagen löste ich mich von Ben. Lennox bemerkte das Durcheinander und die Knochen auf dem Boden. »Hanna hat einige Zauberutensilien unseres Hexenmeisters gefunden.«
Ben warf Lennox einen langen maliziösen Blick zu und hielt meine Hand ein wenig zu fest in seiner. Der wiederum winkte mich ein wenig zu herrisch an seine Seite. Ich blieb stur stehen.
»Hanna, kommst du?« Er hielt mir die Hand weiter entgegen und sein Blick intensivierte sich, wurde bestimmt. Ich löste mich von Ben und trat auf ihn zu. Er nahm meine Hand, wie mir schien auch ein wenig zu forsch, und zog mich energisch hinter sich her , aus dem Zimmer . Überrumpelt stolperte ich mit, was mich im gleich Moment ziemlich ärgerte.
»Ach bitte, komm schon, wie peinlich willst du denn noch werden?«, zischte Ben Lennox abfällig hinterher.
Lennox’ Lippen waren weiß, so fest presste er sie aufeinander, während er mich die Treppe hinabzog. Jetzt wurde mir das Ganze zu viel und ich wurde sauer. Sauer über die Knochen, sauer über die seltsame Art, mit der Ben und Lennox mich verwirrten und einen offensichtlichen Machtkampf ausführten. Sauer über meine Situation. Sauer darüber, dass Lennox mich gestern einfach so in den Schlaf geschickt hatte, über seine dominante Art mir gegenüber. Ungeduldig machte ich meine Hand los, doch Lennox beachtete es gar nicht, verkniff sich lediglich ein Aufschnaufen. Das nervte – und zwar gewaltig . In der Küche stellte ich fest, dass Henry gegangen war, ohne sich von mir zu verabschieden, was mich noch mehr in Rage brachte. Auch wenn er schon sehr bald wieder zurückerwartet wurde, kochte langsam, aber sicher Wut in mir hoch. Derweil sahen sich oben Ben und Olivia meine Fundstücke genauer an. Lennox bereitete mir völlig aufgeräumt etwas zu essen zu. Er hatte sich total im Griff, was ich von mir nicht behaupten konnte.
»Was sollte das gestern?«, fragte ich schnippisch. »Was meinst du?«
»Du hast mich in den Schlaf geschickt. Tu nicht so, als wüsstest du von nichts.« Ich sah ihn herausfordernd an und reckte mein Kinn trotzig vor. Ich wusste, dass ich mich kindisch benahm. Aber ich hatte das Gefühl, als hätte ich nur die Wahl zwischen Heulen wie ein Baby , hysterisch Herumbrüllen oder Streit suchen und mich abreagieren . Vielleicht hätte ich auch joggen gehen können, aber diese Option drang nicht ganz zu mir durch.
»Was hätte ich sonst tun sollen?«, fragte er mit aufreizender Gelassenheit. »Vielleicht mit mir reden und nicht einfach alles alleine bestimmen. Das hab ich nämlich satt!« Jetzt hatte ich seine Aufmerksamkeit und er schoss auf mich zu. Erschrocken wich ich zurück, als er mich wütend an den Schultern griff.
»Du weißt also, was richtig für dich ist? Willst riskieren, dass ich dir etwas antue, ohne Rücksicht darauf, was das für mich bedeuten würde? Du bist ein egoistisches kleines Mädchen, Hanna!« Er verstärkte den Griff um meine Schultern. Nicht das schmerzte, sondern die Worte und die Art, wie er sie mir entgegenschleuderte. Ich versuchte, mich zu befreien und fühlte mich schlecht.
Schmerz huschte über sein Gesicht und er drückte noch einmal fester zu, um sich dann zurückzuziehen. Ich rieb mir meine Arme. Es würden definitiv blaue Flecken entstehen. » Spinnst du?! « , brüllte ich ihm voller Zorn und Verletztheit entgegen und lief hinter ihm her. Ich kniff ihn, so fest ich konnte, in seinen Oberarm. Er schnellte zurück, packte mich grob und keilte mich zwischen sich und der Küchenzeile ein. Ich hob meine Arme und prügelte auf seine Brust ein, in Sekunden hatte er meine Fäuste unter Kontrolle und drückte sie mit ausdrucksloser Miene nieder . Ich spürte, wie sich Tränen in meinen Augen sammelten, als ich Schritte hörte. Lennox gab mich blitzschnell frei
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