Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)
du wohl kaum aus dem Weg gehen können.«
Er sah mich nicht einmal an, machte aber mit seiner Stimme und Haltung unmissverständlich klar, dass ich keine Wahl hatte. Geräuschvoll stieß ich meinen Atem aus und sah aus dem Fenster.
»Du sagtest, uns kann nicht viel umbringen? Was kann uns umbringen?«
»Oh, dich kann noch so einiges umbringen. Andere Zeitwandler zum Beispiel. Es gibt bösartige Kreaturen unter uns, die gerne den in der Wandlung stehenden Zeitwandlern die Energie rauben, weil sie so stark ist. Und meistens töten sie bei der Gelegenheit auch. Es ist so, dass wir Zeitwandler uns gegenseitig spüren können. Einige suchen auch nur aus Neugierde den Kontakt. Andere haben aber auch anderes im Sinn.«
Prüfend sah er mich an und ich versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich das erschreckte.
»Außerdem bist du ein halber Mensch, man weiß nie, wie viel Kraft ihr bekommt. Die meisten Zeitwandler sind reine Dämonen. Sie werden als Mensch geboren und wandeln sich dann ganz selbstverständlich. Es braucht lediglich einen Elternteil dämonischer Herkunft, um die Kräfte zu vererben. Allerdings gibt es nicht gerade sehr viele von uns, was vermutlich daran liegt, dass sich selten Beziehungen zwischen uns entwickeln. Das nennt man wohl natürliche Artenkontrolle und Ressourcenpflege.«
Er lächelte mich matt an und erzählte weiter: »Außerdem kann dich erstmal alles Mögliche noch umbringen, schwere Verletzungen zum Beispiel, und Feuer. Feuer kann uns alle umbringen.« Den letzten Satz sprach er ganz leise aus und sein Blick schien dabei weit in der Ferne zu hängen. Dachte er an jemanden?
»Warum Feuer?«
»Es ist das alles verzehrende Element. Warum auch immer. Es gibt immer Dinge zwischen Himmel und Erde, die man nicht erklären kann. Jedes Wesen braucht einen natürlichen Feind, eine Gefahr … Ich denke, es geht um das Gleichgewicht des großen Ganzen. Sonst wären wir eventuell so etwas wie Götter. Und das darf es nicht geben. Nicht wir . «
Er verfiel in Schweigen und ich wagte es nicht, etwas zu sagen. Ich stellte das Radio leise an und beobachtete still die vorbeiziehenden Bäume, Fahrzeuge und Menschen.
Vertraute Gewässer
Wir waren angekommen. Lennox hielt vor unserem Haus. Es lag einsam und verlassen zwischen den anderen Altbauten. Henrys Auto war nicht zu sehen. Lennox hielt mir meinen Schlüssel vor die Nase. »Nicht zu lange, Cherryblossom.« Er schaute mir prüfend in die Augen. Ich nickte und wandte mich um, stieß die Tür des Volvos auf und stand auf dem Fußweg. Langsam ging ich die vordere Treppe hinauf. Der Briefkasten quoll über und die Zeitungen stapelten sich aufgeweicht vor der Haustür. Ich schob sie mit dem Fuß zur Seite und schloss die Tür auf. Der vertraute Geruch unseres Haus wehte mir entgegen und ich ging den Flur entlang, an der Garderobe vorbei in Richtung Küche. Ich sah mich nach November um. Das Haus war unendlich still.
»Miez, miez, November!« Der Kater war nirgendwo zu sehen, das Haus schien völlig verwaist zu sein. Auf dem Küchentisch lag meine Kette mit dem Anhänger. Mich weiter umblickend nahm ich sie an mich und steckte sie in meine Hosentasche. Konzentriert lauschte ich, rührte mich aber nicht. Die Luft schien dicker geworden zu sein und meine Härchen im Nacken stellten sich auf. Ich hörte mein Herz laut gegen meine Brust schlagen. Ein Scheppern erklang und ich drehte mich blitzartig um. November war durch die Katzenklappe ins Haus gesprungen und kam jetzt maunzend auf mich zu. Ich stieß mit einem Seufzen die aufgestaute Luft aus und bückte mich, um ihn zu begrüßen.
»Hast du mich erschreckt, du kleiner Racker. Bin ich froh, dich wiederzuhaben«, und hob ihn liebvoll auf. Als ich ihn fest an mich drückte, quittierte er dies mit einem Fauchen. Sonst war das nicht gerade seine Art .
»S o unfreundlich , mein Kleiner?« Vorsichtig kraulte ich sein Fell. Er schien aufgeregt und fahrig zu sein. Was ja auch kein Wunder war, schließlich musste er sich eine ganze Zeit selbst verpflegen und hatte erheblich an Gewicht eingebüßt. Ich hielt ihn trotz seiner Zappelei weiter auf dem Arm, als mit einem weiteren Krachen die Küchentür gegen die Wand schlug und Lennox mit einem gehetzten Blick neben mir erschien.
»Wir müssen fort … jetzt !«, raunte er mir zu und nahm meine Hand. Mir fiel fast der Kater herunter, der sich mit gesträubtem Fell in meinem Arm klein machte.
»Was ist los?«, zischte ich, während ich mich von
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