Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)
kann doch unmöglich auf der Arbeit gewesen sein.«
Maike verstand meine Äußerung falsch.
»Ach, Hanna, mach dir nichts daraus. Ich fand es auch ein Ding, das der dich allein lässt, schon so früh. Ich meine, mir war ja klar, dass du noch nicht lange wieder zu Hause sein konntest. Das hätte sich sicher schnell herumgesprochen. Du bist ja im Moment das Gesprächsthema Nummer eins. Aber das ahnst du sicherlich selber. Meine Mutter hat gemeint, als sie vorgestern Henry an der Uni gesehen hatte, ist er quasi vor ihr geflüchtet. Sie wollte ihn nach dir fragen, weil es so wenige Informationen gab. Ich denke, er hatte ein schlechtes Gewissen. Erwachsene halt, vergessen manchmal einfach, was wichtiger ist …«
In meinem Kopf drehte sich alles. Die Informationen, dass Henry gestern noch in der Uni gesehen worden war, irgendjemand kurz nach meinem Ausbruch anscheinend mein näheres Umfeld durchkämmt hatte und dann auch noch völlig falsche Fakten als Grund nannte, machten mich außerordentlich flatterig.
»Hanna, geht es dir gut? Du sagst ja gar nichts mehr und bist irgendwie bleich gerade.« Ich winkte wortlos ab und versuchte, weniger überfahren rüberzukommen.
»Ich werde jetzt erstmal deinem Kater was zu essen geben und du bekommst ein großes Glas Cola.«
Sie lächelte mich so lieb und fürsorglich an, dass ich mich für einen Augenblick fast geborgen fühlte. Der Kater strich bereits laut schnurrend um ihre Beine, als sie die Katzenfutterdose aus dem Kühlschrank nahm.
Meine Cola leerte ich in einem Zug und kämpfte mit der Kohlensäure. Intensiv überlegte ich, wie ich Lennox dazu bringen sollte, mit mir zu Henrys Arbeitsplatz zu fahren. Vielleicht gab es dort einen Hinweis auf seinen Verbleib. Ich verwarf die Idee ziemlich schnell wieder, ihn überhaupt einzuweihen. Mir wurde klar, ich würde allein dort hinfahren müssen, Lennox würde sich auf keinen Fall darauf einlassen. Er hatte seine Prioritäten und ich meine. Ich würde ihn später wieder finden, schließlich kannte ich seine Adresse. Und er könnte sich hinterher aufregen und mich anschnauzen.
»Kommst du auch hin? Zur Beerdigung?«, fragte Maike unvermittelt und ich wurde aus meinen Überlegungen gerissen. Mit einem plötzlichen Gefühl von Übelkeit dachte ich darüber nach. War ich es ihm nicht schuldig, ihm die letzte Ehre zu erweisen? Ich hatte ihn wirklich sehr gerne gehabt, ich war sogar ein wenig in ihn verliebt gewesen. Aber ich würde auf seine Eltern treffen und die waren bestimmt der Meinung, dass ich an dem To d ihres geliebten Kindes schuld sei.
»Ich weiß noch nicht, ich könnte mir vorstellen, dass man mich da nicht haben will«, flüsterte ich kraftlos. Mit einem furchtbar nagenden Schuldgefühl knetete meine Finger, um nicht zu heulen . Genau genommen war ich ja auch Schuld an seinem Tod.
»Ich muss jetzt los, Maike.« Langsam und etwas unsicher auf den Beinen stand ich auf. Maike kam auf mich zu und umarmte mich. Ein wenig zaghafter als früher, aber trotzdem so vertraut, dass ich wieder einen Kloß im Hals spürte und Tränen hinter meinen Lidern anfingen zu brennen. Ich verschwand noch einmal kurz auf der Toilette und fasste einen unvernünftigen Plan.
»Maike, ich würde gerne hinten raus, wenn das in Ordnung ist?«
»Klar, aber warum?« Sie runzelte verwirrt die Stirn und legte ihren Lockenkopf schief.
»Na ja, vielleicht muss nicht jeder sehen, dass ich hier war und durch den Hof ist es ein bisschen ruhiger, weißt du?« Langsam gewöhnte ich mich an die Lügen und Ausreden und kam in Fahrt.
»Na klar, wie dumm von mir. Und mach dir keine Sorgen um deine Mieze. Lässt du was von dir hören?«
»Sicher, sobald es möglich ist.« Ich zwinkerte ihr zu, was ihr ein kleines Kichern entlockte.
Langsam setzte ich mich in Bewegung und ließ mich zur Hintertür bringen. Nachdem wir uns ein letztes Mal in die Arme fielen, öffnete ich die Tür, ging zügig hinaus und trat die fünf Stufen hinunter in den Hof. Mein Blick war weiterhin auf meine Freundin gerichtet, die ich vielleicht lange nicht mehr sehen würde und die mich sanft anlächelte, als sich unvermittelt ihr Lächeln in Verblüffung wandelte. Auch mein Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig und ich folgte Maikes Blick . Da stand Lennox, umwerfend schön und mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen kam er auf mich zu.
»Da bist du ja endlich, Liebes.« Sein Arm legte sich sanft um meine Schulter und seine Hand streichelte über meinen Arm. Stockend
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