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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Atems, der darüber hinstrich.
    »Vor einigen Tagen bereits«, murmelte er und wich ihrem Blick dabei aus.
    »Warum bist du nicht sofort zu mir gekommen? Warum hast du Lukas verboten, mir Bescheid zu sagen?« Sie wandte sich zu dem jungen Mann um, der beklommen von einem Fuß auf den anderen trat. »Lukas sagte mir, du wüsstest nichts davon, dass er mich zu dir holt.«
    Nun drehte sich auch Egbert so, dass er Lukas ansehen konnte. Kurz flog ein Schatten von solcher Düsternis über seine Miene, dass Katharina erschrak.
    Lukas wich ein Stück zurück.
    Dann jedoch verging der Schatten, ein Leuchten erhellte Egberts Gesicht wie ein Sonnenstrahl einen trüben, regnerischen Tag. »Ich hatte ihm eigentlich gesagt, dass es noch nicht an der Zeit ist, dich zu holen ...«
    »Nicht an der Zeit?« Die Irritation darüber, dass Egberts erster Gang ihn nicht sofort zu ihr geführt hatte, begann die Freude über das Wiedersehen auszuhöhlen. Auf einmal verspürte sie einen Anflug von Unbehagen.
    Doch Egbert hatte eine Erklärung. »Ich wollte nicht mit leeren Händen kommen«, sagte er.
    Katharina musterte ihn. »Wie meinst du das?«
    Er ließ sie los und stand mit einem Ruck auf. Dann packte er sie an den Schultern, zerrte sie recht grob auf die Füße. »Komm mit!«, rief er.Er führte Katharina in einen Raum, der früher eine Küche gewesen war, den Egbert jedoch in ein Laboratorium verwandelt hatte. Ein eiserner Dreifuß stand mitten in der Glut des gemauerten Herdes. Auf dem Tisch befand sich neben mehreren Tiegeln und Töpfchen auch eine kleinere Phiole, deren Boden geschwärzt aussah. Zwei der Töpfchen waren offen, und Katharina sah zwei verschiedenartige Pulver darinnen, ein schneeweißes, feines und ein gröberes, sandartiges. Ein Buch lag auf einem Schemel. Das Feuer im Herd hüllte alles in brütende Hitze. Der unangenehme Geruch von Urin lag in der Luft und in einer Ecke stand ein hölzerner Eimer, der offensichtlich mit menschlichen Ausscheidungen gefüllt war.
    »Pass auf!« Egbert schob Katharina zu dem Schemel, fegte das Buch darauf achtlos zu Boden. Er drückte Katharina auf die Sitzfläche des wackligen Möbels nieder und drehte sie so, dass sie einen ungehinderten Blick auf den Herd hatte. Dann nahm er die Phiole vom Tisch, wischte den rußigen Belag an ihrem Boden mit einem Lappen ab und hielt das Gefäß prüfend gegen das Licht.
    In seinem Inneren befand sich eine schwärzliche, wie Teer aussehende Substanz.
    »Hier drinnen«, sagte Egbert mit einer Stimme, die ungewöhnlich hohl klang, »sollte eigentlich eine Medizin für deine melancholia sein.«
    Katharina strich sich eine Haarsträhne aus den Augen, die sich bei Egberts unsanfter Behandlung aus ihrer Frisur gelöst hatte. Ihre Verwirrung steigerte sich noch.
    Da seufzte Egbert, stellte die Phiole wieder auf den Tisch und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Wand neben dem Herd. »Darum bin ich damals fortgegangen, Katharina. Weil ich ein Heilmittel für dich finden wollte.«
    Katharina schluckte. Sie sah ihrem Mann in die Augen und versuchte zu ergründen, was sie in diesem Moment empfand. Ein Gedanke schoss ihr durch den Kopf: Nein, Egbert! Du bist fortgegangen, weil du glaubtest, meine Krankheit nicht mehr aushalten zu können! Aber sie sprach es nicht aus. Sie suchte in Egberts Miene nach Anzeichen dafür, dass er sie belog, doch sie fand keine. Er glaubte das, was er sagte. Im Laufe der vergangenen Monate schien er sich eingeredet zu haben, dass es wirklich so gewesen war.
    Katharina zwang sich, diesen Gedanken, der in ihr einen eigenartig starken Widerwillen entfachte, in den Hintergrund zu schieben. Sie deutete auf die Phiole und ihren unansehnlichen Inhalt. »Was ist das?«
    Da veränderte sich Egberts Gesichtsausdruck. Kurz sah er aus, als sei eine Maske ins Rutschen gekommen und er zeige sein wahres Gesicht. Er entblößte die Zähne, sein Blick wurde ganz starr. Doch all das war so schnell wieder vergangen, dass Katharina verdutzt blinzelte. Hatte sie es wirklich gesehen? Schon lächelte Egbert wieder breit, und sie war sich nicht sicher.
    »Das«, sagte er mit einem Anflug von Verzweiflung in der Stimme, »ist das Zeichen für mein Scheitern!«
    Dies war der Moment, in dem sich Lukas in ihr Gespräch einmischte. Katharina hatte ihn völlig vergessen, hatte nicht einmal bemerkt, dass er ihnen in die Küche gefolgt war.
    »Es ist nur ein Zeichen dafür, dass Ihr noch nicht am Ende seid mit Euren Forschungen«, widersprach er

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