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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Egbert.
    Der starrte ihn an, als sähe er ihn zum ersten Mal. Katharina sah ihn blinzeln. Dann nickte er langsam. »Als ich Nürnberg verließ«, murmelte er, »machte ich mich auf den Weg nach Antwerpen, denn ich wusste von einem Alchemisten, dem dort gelungen war, was ich seitdem vergeblich versuche.«
    Katharina schaute auf die pechartige Substanz in dem Glasgefäß. Es gab eine Medizin gegen die melancholia ? Allein der Gedanke, dass dies möglich sein könnte, versetzte sie in einen Zustand der Erregung, und all ihr Widerwille, den sie noch eben verspürt hatte, schmolz wie Schnee in der Sonne. »Was genau versuchst du?«
    Egbert seufzte. Seine Hände, die er um die Oberarme gelegt hatte, verkrampften sich für einen Moment so sehr, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. »Das apricum herzustellen.«
    »Apricum?« Katharina konnte genügend Latein, um zu wissen, dass dieses Wort »Sonnenlicht« bedeutete.
    Egbert lächelte. »Du hast mir einmal gesagt, dass deine melancholia im Sonnenlicht besser wird. Darum habe ich diese Medizin so genannt.« Er blickte Katharina mit solcher Zärtlichkeit an, dass ihr Herzschlag sich beschleunigte. Da war er, dachte sie, jener Egbert,den sie früher so geliebt, dem sie monatelang nachgetrauert hatte.
    Die Tatsache, dass sie ihn wiederhatte, verursachte ihr ein Schwindelgefühl. Sie legte beide Hände um die Sitzfläche des Schemels und hielt sich daran fest.
    »Im letzten Jahr vor unserer Trennung«, erklärte Egbert, »stand ich in Kontakt mit einigen herausragenden Gelehrten auf dem halben Kontinent. Unter anderem auch mit einem Meister aus Antwerpen. Er schrieb mir, dass ihm die Herstellung des apricum gelungen war. Ich musste mich mit eigenen Augen davon überzeugen, darum habe ich dich so überstürzt verlassen.«
    Und du hattest nicht wenigstens Zeit für eine Erklärung, für einen Abschied? , dachte Katharina bei sich. Doch sie schob diesen unwilligen Gedanken von sich. Zu sehr faszinierte sie das, was Egbert ihr zu sagen hatte.
    Eine Medizin gegen die melancholia !
    Sie legte eine Hand auf ihr Herz.
    »Als ich in Antwerpen ankam, zeigte Meister Gilbert mir seinen Versuch.« Egberts Augen begannen zu glänzen. »Die Phiole leuchtete, Katharina! Sie leuchtete, als sei es dem Meister gelungen, ein Stück des blauen Sommerhimmels einzufangen! Er hatte wahrhaftig das apricum gefunden. Und er zeigte mir auch, wie man es herstellen kann.«
    Katharina blickte auf die Phiole mit dem eher eklig aussehenden Inhalt. Von Leuchten zeigte sich hier nicht die geringste Spur, und das sagte sie auch.
    »Weil ich Teile der Rezeptur wieder vergessen habe!« Plötzlich geschah es erneut: Ein Schatten huschte über Egberts Miene, verdunkelte sein vertrautes, schiefes Lächeln und verzerrte seine Züge zu einer Maske der Angriffslust. Doch wieder dauerte es nur einen Lidschlag lang, dann kehrte das Lächeln zurück. Diesmal allerdings war sich Katharina sicher, den anderen, den finsteren Ausdruck in seinem Gesicht wirklich gesehen zu haben. Ein eisiger Schauer rann ihr den Nacken hinunter, und sie warf einen raschen Blick in Lukas’ Richtung.
    Die Lippen des jungen Mannes waren zusammengepresst. Katharinawusste, dass auch ihm die Wandlung in Egberts Gesicht nicht entgangen war.
    Lukas kratzte sich am Kinn. »Das liegt an dem Überfall«, murmelte er, und Katharina fragte sich, ob er diese unheimlichen Veränderungen in Egberts Ausdruck meinte oder die Tatsache, dass ihr Mann Teile des Herstellungsverfahrens vergessen hatte.
    Egbert blickte ihn an. Dann nickte er. »Genau. Durch den Schlag geriet in meinem Kopf wohl einiges durcheinander. Jedenfalls scheinen mir Bruchstücke des richtigen Rezeptes zu fehlen. Bisher bin ich unfähig gewesen, diesen Versuch nachzuvollziehen.« Er löste sich von der Wand, ging zum Tisch und nahm die Phiole zur Hand. Sachte schüttelte er sie. Ihr Inhalt bewegte sich zäh darinnen. »Aber ich habe das starke Gefühl, dass ich sehr dicht daran bin, die Rezeptur wiederzufinden.« Über das Gefäß hinweg sah er Katharina in die Augen. »Ich wollte dich überraschen«, sagte er leise. »Ich wollte dir erst wieder vor das Angesicht treten, wenn es mir möglich ist, das apricum herzustellen und dich zu heilen.«
    Katharina hielt seinem Blick stand, und verwundert bemerkte sie, dass Tränen in Egberts Wimpern glitzerten.
    Er stellte die Phiole wieder fort, und die Bewegung, mit der er es tat, wäre beinahe zu heftig für das zerbrechliche Glas gewesen. Es gab

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