Cherubim
zugeordnet sind?«
»Warm und feucht.« Unwillkürlich flüsterte Katharina.
Egbert nickte. »Genau. Gegensätze löschen sich aus. Füge heiß zu kalt, und du erhältst lau. Füge aber Licht zur Dunkelheit, und es wird Licht.«
Eine Gänsehaut bildete sich in Katharinas Genick. Für einen Moment überlagerte die Aussicht, eine Waffe gegen die melancholia in den Händen zu halten, alle anderen Empfindungen in ihrem Herzen, und sie sonnte sich in dieser Vorstellung. Doch dann kehrte der feine Schmerz zurück, als ihr Richard wieder einfiel.
Sie schluckte. »Hast du eine Theorie, warum es nicht funktionieren will?«
»Ich vermute, dass ich den falschen Urin benutze.« Er erzählte ihr, dass er den Versuch bereits mit Männer- und Kinderurin durchgeführt hatte und ebenso mit dem von verschiedenen Kranken. An dieser Stelle zögerte er kurz, weiterzusprechen. Katharina bemerkte dieses Zögern, aber es fügte sich so nahtlos zu den vielen anderen kleinen Details hinzu, die sie plötzlich an Egbert merkwürdig fand, dass sie kaum Notiz davon nahm. Er zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich brauche ich einen sehr besonderen Urin.«
Und das war der Moment, in dem Katharina eine Idee kam.
»All das muss Euch sehr seltsam vorkommen.«
Lukas ging neben Katharina durch die nächtlichen Straßen der Stadt. Er hatte die Kapuze seines Mantels zum Schutz vor der Kälte so tief ins Gesicht gezogen, dass Katharina außer seiner Nasenspitze nicht viel von ihm zu sehen bekam. Sein Atem stand ihm als dicke, weiße Wolke vor dem Mund und glitzerte im Licht der Fackeln.
»Meint Ihr die Tatsache, dass mein totgeglaubter Mann auf einmal wieder auftaucht, oder sein seltsames Verhalten?« Katharina hatte die Hände so tief es ging in die Ärmel ihres Mantels gezogen, und trotzdem hatte sie eiskalte Finger. Sie ballte die Hände zu Fäusten.
»Beides.«
Ein Nachtwächter näherte sich von vorn. Er leuchtete erst Lukas, dann Katharina ins Gesicht, nickte ihnen einen unverbindlichen Gruß zu und verschwand um die nächste Hausecke.
Katharina wartete eine Weile, erst dann nahm sie das Gespräch wieder auf. »Er kommt in einem Moment, in dem ich gerade anfing, mein Leben neu zu ordnen.« Sie dachte an Kunigundes Angebot, ins Kloster zu gehen. Und dann dachte sie an Richard. Es tat unendlich weh, das zu tun, und in diesem Moment wurde ihr bewusst, dass sie sich längst in den Mann mit den dunklen Augen verliebt hatte. Sie blinzelte, weil sie Tränen hinter ihren Lidern aufsteigen spürte.
»Es ist meine Schuld«, murmelte Lukas.
»Was meint Ihr?«
»Dass Ihr wieder mit Eurem Mann zusammengeführt wurdet. Ich glaube, wenn es nach ihm gegangen wäre, wäre das nicht passiert.«
Katharina blieb stehen. »Erklärt Euch!«, verlangte sie.
Er räusperte sich. Ihm war sichtlich unbehaglich, aber er gab sich einen Ruck und sagte: »Er wollte sich erst an Euch wenden, wenn er das apricum gefunden hat. Jedenfalls behauptete er das.«
»Aber Ihr glaubt das nicht?«
Lukas legte zwei Finger auf seine Stirn, ungefähr auf die Stelle, an der sich sein Scheitel – und bei Egbert die Narbe – befand. »Ich habe selbst bisher nur wenig Gelegenheit gehabt, Zeit mit ihm zu verbringen. Wie Ihr dachte ich bis vor kurzem, dass er dem Schlag auf den Kopf erlegen war.« Er erzählte Katharina von dem Brief, der ihn erreicht hatte und von seiner eigenen Verwunderung, als er hatte erfahren müssen, dass Egbert noch am Leben war. »Aber ich habe das Gefühl, dass er nicht mehr er selbst ist.«
Katharina nickte. Dieses Gefühl teilte sie. »Ihr habt die merkwürdigen Blicke gesehen, oder?«
»Diese Anflüge von Aggression? Natürlich!«
»Glaubt Ihr, dass sie von der Verletzung herrühren?«
Lukas setzte den Weg fort, und Katharina schloss sich ihm an.
»Ja«, beantwortete er ihre Frage. »Er war früher nicht so. Es kommt mir vor, als sei alles, was er noch will, dieses apricum zu finden.«
Katharina schluckte. »Aber nicht, um mir damit zu helfen.« Irgendwie spürte sie das. Egbert hatte sie behandelt, als sei sie nichts weiter als ein Hemmnis bei seinen Forschungen. Selbst als er sie für ihr Hilfsangebot so überaus dankbar angelächelt hatte, hatte sie das Gefühl gehabt, er mache ihr etwas vor.
Lukas schob seine Kapuze etwas zurück. Dann wandte er den Kopf, um Katharina ansehen zu können. »Ich fürchte«, murmelte er, »dass der Schlag auf den Kopf ihm einen guten Teil seines Verstandes geraubt hat.«
Sie überquerten die Pegnitz. Außer
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