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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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einem kleingewachsenen Nachtraben, bei dessen Anblick Katharina unwillkürlich an Arnulf denken musste, kam ihnen niemand mehr entgegen.
    Wie seltsam, ging es ihr durch den Kopf. Egbert war schon derzweite Mann, den sie für tot gehalten hatte und der wieder aufgetaucht war.
    Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinanderher, doch offenbar fiel es Lukas schwer, die Stille zwischen ihnen auszuhalten. Katharina war ihm dankbar, als er fragte: »Glaubt Ihr, dass man ihn heilen kann?«
    Sie zuckte die Achseln. »Es gibt Fälle, bei denen stößt jeder Heilkundige an seine Grenzen«, sagte sie, und sie musste dabei an Kunigunde denken. Um nicht wieder in stumme Grübelei zu versinken, erzählte sie Lukas von diesem Fall. »Der Mann, zu dem wir auf dem Weg sind, ist ihr Bruder.«
    »Wie ungewöhnlich«, murmelte er. Und dann fügte er hinzu: »Warum glaubt Ihr, dass sein Urin besser geeignet ist für die Versuche Eures Mannes?«
    »Egbert sprach davon, dass er besonderen braucht. Dieser Mann hat das gleiche Leiden wie seine Schwester.«
    »Schwarzen Urin?« Lukas’ Kopf ruckte herum. »Schwarz wie die Prima materia!« Ein Lächeln glitt über sein Gesicht. »Das hört sich tatsächlich vielversprechend an.« Dann vertrieb ein Schatten das Lächeln. »Aber wenn er schwarzen Urin hat, dann müssen wir uns beeilen, oder?«
    Katharina schüttelte den Kopf. »Er lebt seit vielen Jahren damit. Fragt mich nicht, wie. Aber Ihr scheint Euch auch mit der Heilkunst auszukennen, dass Ihr die Bedeutung von Schwarzharn kennt.«
    Lukas lächelte. »Mein Vater war Medicus. Und ich bin eine Weile bei Eurem Mann in die Lehre gegangen.« Er begann davon zu erzählen, wie er Egbert kennengelernt hatte.
    Er war gerade bei der Stelle angelangt, an der sein Vater sich um Egberts schwere Kopfwunde gekümmert hatte, da kamen sie in jener Gasse an, die Raphael Krafft Katharina als sein Zuhause genannt hatte.
    Als Thomas, Richards Diener, nach Einbruch der Dunkelheit an die Tür des Kontors klopfte, zuckte Richard erschrocken zusammen. Er hatte den halben Tag damit verbracht, planlos ein Buch nach dem anderen aus dem Schrank zu nehmen und darin zu lesen. Irgendwannhatte er entnervt aufgegeben, weil er sich auf keines davon konzentrieren konnte. Er war dazu übergegangen, an seinen Skizzen weiterzuzeichnen, aber auch das hatte ihn nicht von den Gedanken ablenken können, die er sich über die Ereignisse unten im Lochgefängnis machte. Schließlich hatte er sich hingelegt und war eingeschlummert, und aus diesem Schlummer riss ihn Thomas’ Klopfen jetzt.
    Er setzte sich auf. »Herein!«, rief er mit belegter Stimme.
    Thomas betrat den Raum. »Der Herr Nachtrabe«, kündigte er an und trat rasch einen Schritt zur Seite, weil Arnulf sich an ihm vorbeidrängte.
    »Arnulf!« Richard räusperte sich und stand dann auf. »Gott sei Dank!«
    Arnulf blickte ihn mit einem spöttischen Ausdruck in den Augen an. »Der feine Pinkel geruht zu pennen, während ich die ganze Arbeit machen muss!«, beschwerte er sich mit seiner Gossenstimme.
    »Ich ...« Richard unterbrach sich, weil ein breites Grinsen Arnulfs Gesicht verzerrte. »Schon gut. Komm, setz dich! Und dann erzähl, was du rausgefunden hast.« Er bemerkte, dass Arnulf einen kleinen Lederbeutel bei sich trug, dessen Riemen er sich über die Schulter geschlungen hatte. Diesen Beutel ließ der Nachtrabe zu Boden gleiten, bevor er sich in den von Richard bezeichneten Sessel warf.
    Richard befahl Thomas, zwei Becher Wein zu holen, und als der Diener fort war, wandte er sich an den Nachtraben. »Jetzt rede schon!«
    Die Vorstellung, dass Silberschläger ihn mit ähnlichen Tricks ins Loch bringen konnte, mit denen er versuchte, den Juden den Mord anzuhängen, hatte ihn den ganzen Tag lang so beunruhigt, dass er weder etwas gegessen noch etwas getrunken hatte. Umso gieriger griff er nun nach dem Wein, den Thomas brachte.
    Auch Arnulf trank einen Schluck, bevor er auf Richard wies. »Du zuerst!«, befahl er. »Wie war es im Loch?«
    Richard unterdrückte ein Seufzen. Er kannte den Freund gut genug, um zu wissen, dass es keinen Zweck hatte zu protestieren. Arnulf würde genau dann mit seinem Wissen herausrücken, wenn er esfür richtig hielt. Und wenn er erst von der Sektion hören wollte, dann tat Richard gut daran, diesem Wunsch nachzukommen. Also erzählte er in knappen Worten, was in der Zelle im Lochgefängnis passiert war. Als er an der Stelle mit dem fehlenden männlichen Körperteil angekommen war,

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