Cherubim
erzählen hatte.
»Raus mit der Sprache!«, knurrte er.
»Silberschlägers Frau, Richhild heißt sie, ist nicht ganz so ehrbar und fromm, wie es den Anschein hat.«
Richard verstand nicht sofort, doch dann setzten sich die Einzelheiten zu einem Bild zusammen. Richhild Silberschläger. Und Sibilla, die Engelmacherin.
Er schnappte nach Luft. »Richhild Silberschläger hat ein Kind abtreiben lassen?« Das war nun wirklich eine Nachricht, die gewichtig war!
Arnulf lachte leise. »Und nicht nur das, mein Lieber. Es war ein Kind, das sehr offensichtlich nicht von Silberschläger stammte.«
Aufatmend legte Richard den Kopf gegen die Lehne seines Sessels. »Wenn das jemand erführe«, murmelte er, »wäre Silberschlägers Karriere beendet.«
»Zumal Sibilla auch vor Gericht einen Eid darauf schwören würde, dass Silberschläger selbst sie geholt hat. Er wäre somit ...«
»... der Kindstötung schuldig!« Mit der flachen Hand schlug Richard auf die Lehne. »Das sollte ihn davon abhalten, mir die Schlinge um den Hals zu legen!« Er spürte, wie eine große Last von seinen Schultern glitt. Fast freute er sich schon darauf, Silberschläger mit diesem Wissen zu konfrontieren.
Erleichtert sah er den Nachtraben an. »Ich danke dir!«
Da beugte sich Arnulf zu dem Beutel hinab, der bisher unbeachtetneben seinem Sitz gelegen hatte. »Dank mir nicht zu früh. Ich brauche nämlich auch einen Gefallen von dir.« Er öffnete den Beutel und zog etwas heraus, das Richard im ersten Moment für Federbündel hielt. Erst bei genauem Hinsehen erkannte er, dass es zwei tote weiße Tauben waren.
»Was ist damit?«
Arnulf hob die Tauben hoch. »Die habe ich aus Marias Wohnung. Ich war vorhin kurz bei ihr, um nach ihr zu sehen, aber sie war nicht da.« Er drehte die beiden Kadaver so, dass Richard die kleinen Köpfchen sehen konnte, die an den zerzausten Körpern baumelten. »Ich habe keine Ahnung, wo Maria stecken könnte, Richard!«
Richard schnappte nach Luft.
Beiden Tauben waren die Augen ausgestochen worden.
20. Kapitel
Die Nacht war schon weit fortgeschritten, und bisher war Raphael Krafft ruhig gewesen. Doch so langsam drohte ihm die Geduld auszugehen, das sah Katharina an der Art, wie er wieder und wieder mit seinen Fingerspitzen auf die Lehne des Sessels trommelte, auf dem er saß.
Nachdem Lukas und sie zusammen Kraffts Wohnung am Rande des Spittlertorviertels erreicht hatten, hatten sie einige Zeit gebraucht, um den Abtrittanbieter davon zu überzeugen, dass sie seinen Urin benötigten.
»Was hat nur alle Welt heutzutage mit dieser verflixten Pisse?«, hatte er gegrummelt und dann, als Lukas ihm eine gute Bezahlung in Aussicht gestellt hatte, bedauernd hinzugefügt, dass er leider vor einer knappen Viertelstunde auf dem Abtritt gewesen war.
Was Lukas dazu veranlasst hatte, ihn zum Mitkommen zu überreden.
Sie hatten Krafft zum Fischerhaus geführt, was dieser mit einem verwunderten Kopfschütteln quittiert und gefragt hatte: »Ihr gehört zu diesem komischen Kauz von Alchemisten? Jetzt wundert mich gar nichts mehr!«
Sie hatten Krafft reichlich Wasser und auch Wein zu trinken gegeben, und nachdem es ihm endlich gelungen war, das Gewünschte zu liefern, hatte Egbert ihm befohlen, das Haus auf keinen Fall zu verlassen, für den Fall, dass er Nachschub bräuchte.
Das Versprechen großzügiger Entlohnung hatte Krafft einlenken lassen, auch wenn er sich sichtlich unwohl in diesem unheimlichen Haus fühlte.
Katharina konnte es ihm nicht verdenken.
»Wie lange dauert das denn noch?«, grummelte Krafft jetzt.
Lukas, der ihnen Gesellschaft leistete, machte ein grimmigesGesicht. »Es dauert, die Flüssigkeit so einzukochen, dass die Prima materia dabei herauskommt.«
»Prima materia!« Krafft schnaubte. »Und wenn er reinstes Gold da drinnen herstellt: Ich will jetzt auf der Stelle nach Hause!«
Katharina stemmte sich in die Höhe. Sie hatten es sich so gut es ging in einem Wohnzimmer des Hauses gemütlich gemacht. Hier standen vom Vorbesitzer noch ein paar Lehnstühle herum, die mit weißen Laken abgedeckt worden waren. »Ich gehe einmal nachsehen, wie weit er ist.«
Mit einem mulmigen Gefühl machte sie sich auf den Weg zur Küche und trat so lautlos wie möglich ein.
Egbert stand am Herd und rührte in einem Tiegel, in dem er Raphaels Urin zum Kochen gebracht hatte. Der unangenehme Geruch menschlicher Ausscheidungen, der die Luft durchtränkte, ließ Katharina das Gesicht verziehen.
Sie wartete eine Weile, um
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