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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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befinden musste. Zeitweise hatte sie sogar vermutet, Egbert könne sein Geld auf eine dieser neuartigen Banken gebracht haben, die sich aus Italien kommend langsam im Land verbreiteten. Aber all ihre Nachforschungen in dieser Richtung waren ebenso erfolglos geblieben wie ihre Suche im Haus. Schließlich hatte sie sich der Tatsache gestellt, dass Egberts Vermögen sehr viel kleiner gewesen war, als sie geglaubt hatte.
    Jetzt zu erkennen, dass er all sein Geld einfach mitgenommen, dass er sie allein und beinahe mittellos zurückgelassen hatte, erfüllte sie mit solchem Zorn, dass sie kaum noch Luft bekam. Um ihn nicht anzuschreien, krächzte sie: »Wie kommt es, dass die Vaganten das nicht bekommen haben?«
    Egbert hob die Augenbrauen. Seine Miene war unergründlich. Weil ich es nicht bei mir hatte«, gab er zur Antwort. »Ich hatte es bei Lukas’ Vater gelassen. Zum Glück, nicht wahr?«
    Katharina kämpfte gegen die Hitze, die ihr in den Kopf zu steigen drohte. »Ja«, presste sie hervor. »Zum Glück.« Dann wandte sie sich um und machte Anstalten, die Küche zu verlassen.
    »Was hast du vor?«, rief Egbert ihr nach.
    »Ich gehe Herrn Krafft für seine Zeit bezahlen«, gab sie zurück, und sie erstickte fast an ihren Worten. »Und dann gehe ich und kümmere mich um meine Mutter.«
    Sie einigte sich mit Raphael Krafft über den Preis für sein Bleiben, dann lief sie zum Henkershaus. Sie fand ihre Mutter wohlversorgt und schlafend in ihrem Bett. Ein einzelnes Talglicht brannte auf ihrem Nachtkästchen. Ludmilla, die gute Seele, war in dem Lehnsessel daneben eingeschlafen. Katharina beugte sich über sie und rüttelte sanft an ihrem Arm.
    »Ludmilla.«
    Die ältere Frau schreckte hoch. »Was?«
    »Scht! Ich bin es nur.« Katharina trat einen Schritt zurück. Im Licht der Flamme wirkten Ludmillas Züge eingefallen, müde.
    »Katharina!« Ludmilla gähnte herzhaft und warf einen Blick auf Mechthild. Die schlief seelenruhig und mit offenstehendem Mund. Ab und an entwich ein leises Schnarchen ihrer Kehle. »Du warst lange fort.«
    Katharina erklärte ihr, was passiert war.
    »Egbert?« Vor lauter Freude über die gute Nachricht krächzte Ludmilla. »Wirklich?« Sie stand auf und zog Katharina aus Mechthilds Kammer. »Sie hat in der letzten Zeit schlecht geschlafen. Ich habe ihr ein bisschen Bier warm gemacht.« Mit einem Strahlen blickte Ludmilla Katharina an, und ihre Freude war so echt, so offenherzig und ehrlich, dass Katharina sich gleich noch undankbarer und elender vorkam.
    »Ich muss zu ihm zurück«, behauptete sie. Es war ihr fast ebenso unerträglich, Ludmillas Gegenwart auszuhalten wie die ihres eigenen Mannes. Ihre Gesichtszüge schmerzten, so sehr musste sie sich anstrengen, sie unter Kontrolle zu behalten. Sie zwang sich zu einem Lächeln.
    Ludmilla musterte sie eindringlich, aber falls sie bemerkte, dassKatharina ihr etwas vormachte, so behielt sie es für sich. »Geh nur!«, forderte sie Katharina auf. »Ich bleibe hier bei deiner Mutter.«
    »Ich danke dir!« Katharina griff nach Ludmillas Händen und drückte sie.
    »Es ist gelungen!« Lukas kam ihr entgegen, kaum dass sie einen Fuß über die Schwelle des Fischerhauses gesetzt hatte. Aus seinen Augen leuchtete die pure Begeisterung, und seine Stimme war eine Spur zu laut.
    Katharina zog ihren Mantel aus. Sie hatte gerade noch genug Zeit, ihn auf den Haken neben der Haustür zu hängen, bevor Lukas sie packte und in die Küche zerrte.
    Hier war es fast vollständig finster, denn Egbert hatte die Lichter, die er früher am Abend entzündet hatte, allesamt bis auf eines gelöscht.
    Jetzt wandte er sich mit der Phiole in der Hand zu Katharina um. Auch er strahlte. »Ich habe es geschafft.« Im Gegensatz zu Lukas flüsterte er. Er wirkte so ergriffen, als habe er eine Begegnung mit einem Heiligen gehabt.
    Er hob die Phiole.
    Die Substanz darinnen war diesmal nicht schwarz und pechartig, sondern von heller, gräulicher Färbung.
    Egbert hielt die Phiole in die Glut des Feuers. »Sieh hin!«, hauchte er.
    Und Katharina sah hin. In dem Glas begann es zu leuchten. Geisterhaft sah es aus, mit einer Mischung aus Weiß und Blau erinnerte es Katharina an Nebel, der aus einem Bachbett aufstieg. Sie bekam eine Gänsehaut.
    Egbert lachte auf. Er warf den Kopf in den Nacken, und als er Katharina wieder ansah, da wirkte er wie ein Junge, voller Begeisterung über ein neues Spielzeug. »Ich habe es geschafft!«, wiederholte er. »Und dabei hatte ich schon geglaubt,

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