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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Silberschläger«, behauptete er. »Wir müssen mit der Frau sprechen, weil wir uns Erkenntnisse über die Entweihung des Sebaldusgrabes erhoffen.« Er schickte ein stummes Gebet gen Himmel, in der Hoffnung, dass der Hinweis auf den Toten in dem Grab ihnen die Gefängnistür öffnen würde.
    Seine List ging auf. »Wartet!«, bat der Wärter und zog sich zurück. Dann dauerte es schier unendlich lange, bis die Tür geöffnet wurde, und als sie aufschwang, sah Richard auch, warum. Der Eisenmeister hatte ein lahmes Bein, und er konnte nur sehr mühsam und langsam gehen. Jetzt, aus der Nähe betrachtet, bemerkte Richard, dass der Eisenmeister nicht nur Haare in der Nase hatte, sondern auch noch getrockneter Rotz in ihnen hing. Rasch wandte er den Blick ab.
    »Kommt«, sagte der Eisenmeister. »Die Drecksau hockt in der obersten Zelle.«
    Er hinkte vor Richard und Arnulf eine steile Treppe empor. Sie kamen vorbei an mehreren Türen mit winzigen Gucklöchern auf Augenhöhe, die Richard fatal an die im Lochgefängnis erinnerten. Die letzte Zelle, die oberste, war hingegen nur mit einem einfachen eisernen Gitter versehen, so dass man problemlos in jeden ihrer Winkel blicken konnte. Dieser Zelle gegenüber befand sich die Wächterstube.
    »Man muss aufpassen«, erklärte der Eisenmeister. »Manche von denen verletzen sich selbst. Darum ist es meine Aufgabe, sie im Auge zu behalten.«
    Arnulf, der die ganze Zeit über grimmig geschwiegen hatte, trat nun an die Gitterstäbe und legte seine Hände um zwei von ihnen. »Sie ist aber nicht gefährlich«, sagte er. Seine Stimme klang etwas belegt.
    Richard begriff, dass er recht hatte. Maria war nichts weiter als ein elendes Häuflein Unglück, das in einer Ecke der engen Zelle zusammengesunkenwar. Sie hatte die Beine vor die Brust gezogen und die Arme darumgeklammert. Ihre Stirn lag auf den Knien, und sie rührte sich nicht. Ihr Nacken wies eine hässliche, dunkelblaue Prellung auf, und etwas Blut hatte den Kragen ihres Kleides getränkt. Nur ihre Schultern hoben und senkten sich langsam und zeigten, dass sie atmete.
    »Maria?«, sagte Arnulf leise.
    Sie rührte sich nicht. »Ich heiße Mirjam«, hörte Richard sie murmeln.
    »Mirjam?«, versuchte Arnulf es erneut.
    Da hob sie den Blick.
    Richard hatte erwartet, ein irrsinniges Feuer in ihren Augen flackern zu sehen, aber da war nichts. Nur der Schmerz, den sie empfinden musste, war deutlich zu erkennen. »Arnulf!«, flüsterte sie. »Was machst du hier?«
    Arnulfs Fingerknöchel wurden weiß. »Ich bin gekommen, um nach dir zu sehen. Was ist nur in dich gefahren, Mar... Mirjam? Einen Altar zu schänden, bei Gott!«
    Da nahm sie die Hände von den Beinen und stützte sich mit ihnen an der Wand in ihrem Rücken ab. Kurz sah es so aus, als wollte sie aufstehen, überlegte es sich dann aber anders. »Lass Gott aus dem Spiel!«, sagte sie. Ihre Stimme klang flach, aber nicht ein bisschen wahnsinnig. »Er hat damit nichts zu tun.« Sie blickte eine Weile lang schweigend geradeaus. Dann entschied sie sich doch noch, sich zu erheben. Mit zwei Schritten war sie bei Arnulf am Gitter. »Das Böse, Arnulf, es kommt nicht vom Teufel oder von irgendwelchen Dämonen, die uns quälen.« Sie fasste sich an ihr Herz. »Es wird uns von Menschen zugefügt. Menschen, hörst du?«
    Arnulf nickte.
    Richard sah aus dem Augenwinkel, dass der Eisenmeister das Kreuz über sich schlug, und während der Mann sich in eine Ecke seiner Kammer zurückzog, um ihr Gespräch besser überhören zu können, begann Maria zu erzählen.
    Und was sie erzählte, ließ Richard die Haare zu Berge stehen.
    Sie sprach von einer christlichen Dienstmagd und einer unfreiwilligen Taufe. Sie sprach von Mönchen, die gekommen waren und sieals kleines Kind aus der Mitte ihrer Familie fortgerissen hatten. Sie sprach von der Erziehung durch eine gestrenge Frau, die versucht hatte, den christlichen Glauben mit Hilfe von Gürtel und Fäusten in sie hineinzuprügeln.
    »Ich habe gehorcht«, sagte Maria. »Ich habe die christlichen Gebete gesprochen, bin zur Messe gegangen und habe gebeichtet. Und doch war ich in meinem Innersten immer Jüdin. Ich hatte es nur vergessen. Bis gestern.« Sie lächelte, und zum ersten Mal schimmerte ein wenig des Wahnsinns durch die Maske, die sie aufgesetzt hatte, hindurch nach außen.
    Richard schluckte.
    »Mein Vater hat mir früher immer davon erzählt, dass im Tempel von Jerusalem weiße Tauben geopfert werden, um Gott um Vergebung für unsere Sünden zu

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