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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Egbert nicht zu stören. Er machte jedoch keinerlei Anstalten, sich ihr zuzuwenden, obwohl sie an einer Bewegung seines Kopfes gesehen hatte, dass er sie sehr wohl bemerkt hatte. Behutsam hob sie eine Hand. »Egbert!«
    Er reagierte nicht, also wartete sie weiter einige Augenblicke ab und versuchte es dann erneut: »Egbert.« Diesmal sprach sie ein wenig energischer.
    Er stieß ein resigniertes Seufzen aus, und schlagartig fühlte Katharina sich an früher erinnert. So hatte er stets geseufzt, wenn sie eine in seinen Augen dumme Frage gestellt oder einen Patienten nicht so behandelt hatte, wie er es für richtig hielt. Früher hatte sie sich über diese Behandlung geärgert. Jetzt wusste sie nicht, was sie darüber denken sollte.
    Dann, endlich, drehte sich Egbert zu ihr um. Er schien angespannt, auf eine unbestimmte Weise fanatisch.
    »Was ist denn?«, fragte er unwirsch.
    Wieder kam er ihr fremd vor, unheimlich und rätselhaft. Sein Verhalten wirkte, als sei er gerade einmal einen halben Tag lang fort gewesen und nicht etliche Monate. Konnte es sein, dass er durch den Schlag auf den Kopf mehr vergessen hatte als nur das Rezept des apricums ?
    Sie unterdrückte ein Kopfschütteln. »Ich dachte ...«
    Egbert fiel ihr ins Wort. »Das hier, Katharina, ist wirklich wichtig!« Mit einer harschen Geste wedelte er hinter sich, wo der Urin leise vor sich hin köchelte. »Du willst doch endlich wieder gesund werden, oder nicht?«
    Er sagte es auf eine Art und Weise, die Katharina das Gefühl gab, selbst schuld an ihrer Krankheit zu sein. Mit einem Schlag waren alle Gedanken und Emotionen wieder da, die sie schon damals, vor Egberts Verschwinden, in sich getragen hatte. Die Abwehr seinen unterschwelligen Vorwürfen gegenüber. Die Sorge, er könne recht haben und sie sei tatsächlich nur eine schwache, dumme Frau, die sich nicht genug Mühe gab, die melancholia zu bekämpfen. Die Befürchtung, sie stelle sich tatsächlich einfach nur an.
    Die Angst, besessen zu sein ...
    Katharina presste die Lippen zusammen. »Das will ich, ja.« Sie bemühte sich um einen versöhnlichen Tonfall, aber sie hörte, dass sie streitbar klang. Die letzten Monate hatten nicht mehr viel von der früheren, der sanften Katharina übriggelassen.
    Auch Egbert schien das zu spüren. Seine Augen weiteten sich ein wenig. Doch statt sich Katharina nun ganz zuzuwenden, wie sie es erwartet hätte, statt zu versuchen, herauszubekommen, wer sie nach der langen Trennung wirklich war, warf er einen kurzen, aber deutlich sehnsüchtigen Blick über die Schulter auf seinen Versuchsaufbau.
    »Herr Krafft fragt, ob er endlich gehen darf.« Sie ertappte sich dabei, dass sie flüsterte.
    »Nein.«
    Sie wartete, ob Egbert noch etwas hinzufügen würde, und als er das nicht tat, wandte sie ein: »Aber er ...«
    »Mach ihm ein Bett in irgendeinem der Zimmer! Ich brauche ihn noch!«
    »Egbert, er ist nicht dein Gefangen...«
    Da fuhr Egbert mit einem Ruck herum. »Ich bezahle ihn!«, herrschte er Katharina an. »Und ich bezahle ihn gut! Also sag ihm, er soll die Klappe halten und hierbleiben!«
    Der Zorn loderte so hell aus seinem Gesicht, dass Katharina einenSchritt zurückwich. Doch dann ärgerte sie sich über sich selbst. Mit welchem Recht herrschte er sie so an?
    Sie trat wieder vor. »Wovon willst du ihn bezahlen?«, gab sie eisig zurück. »Von deinem Vermögen ist nichts mehr übrig, und dein Haus musste ich verkaufen, als du es vorgezogen hast, in der Welt herumzureisen!« Der Widerwille gegen alles, was sie seinetwegen zu erleiden gehabt hatte, saß jetzt wie ein Stachel in ihrer Kehle.
    Egbert erstarrte. Für einen Moment fürchtete Katharina, er könne die Beherrschung verlieren, könne über sie herfallen und anfangen, sie zu schlagen. Für einen Moment flackerte der Zorn hell in seinen Augen. Dann jedoch, übergangslos, änderte sich sein Gesichtsausdruck und ihr vertrauter Ehemann kehrte zurück. »Warte«, sagte er nur. Er wandte sich der Kiste zu, die noch immer auf dem Küchentisch stand, und kramte darin herum. Dann beförderte er einen Lederbeutel zutage, den er Katharina zuwarf.
    Sie fing ihn auf und war überrascht, wie schwer er war.
    Als sie die Kordel öffnete, sah sie Goldmünzen. »Das ...« Sie schnappte nach Luft. »Woher hast du das?«
    »Es ist meins«, war die schlichte Antwort.
    Katharina dachte daran, wie sie nach der Nachricht von Egberts Tod Tage damit verbracht hatte, sein Vermögen zu suchen, von dem sie dachte, dass es sich im Haus

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