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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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nickte Kunigunde. »Sie stand plötzlich vor mir, und ich sah ...«
    »Ihre schwarzen Augen!«
    Wieder nickte die Priorin. »Und das kurz nachdem ich sie bei mir selbst entdeckt hatte. Ich versuchte, ruhig zu bleiben, versuchte, mit Dagmar zu reden. Dadurch erfuhr ich, dass sie ein Findelkind war, dass man sie auf den Stufen der Katharinenkirche gefunden hatte.«
    »Und da bestand für Euch keinerlei Zweifel mehr.«
    »Erst, nachdem sie mir von ihrem Bruder erzählte, von Heinrich, mit dem gemeinsam sie im Findelhaus aufgewachsen war. Ich fragte mich, woher sie wissen konnte, dass Heinrich ihr Bruder war, aber sie sagte mir, sie nenne ihn nur so, weil sie ungefähr gleich alt waren.« Kunigunde lachte auf. »Auf den Tag genau gleich alt waren sie, aber das konnten sie natürlich nicht wissen. Sie sahen sich ja kaum ähnlich! Niemand konnte auf die Idee kommen, dass sie wirklich Geschwister waren.«
    »Aber Ihr.«
    »Ich wusste es.« Kunigunde balancierte die Haarnadel jetzt auf der Fingerspitze. »Und ich wusste noch etwas anderes. Nämlich, dass meine Sünde, meine und die meines Bruders, unsere Seelen derVerdammnis anheimgegeben hatte. Alle Buße, alles Beten und Singen hatte nichts genützt. Wir waren und sind verdammt in alle Ewigkeit. Und zum Zeichen dafür brandmarkte Gott uns mit diesen schwarzen Augen.«
    »Und dann saht Ihr Dagmar. Ihr entdecktet, dass auch sie diese schwarzen Augen hatte.«
    »Sie erzählte mir, dass sie eine gefallene Frau war. Sie erzählte mir sogar von ihren Kunden. Von einem, den sie besonders mochte und der den Namen Raphael trug.«
    Katharina schwieg, und langsam nur sickerte der Sinn dieser Worte in ihr Bewusstsein. »Sie hatte mit ...«
    »... ihrem eigenen Vater geschlafen, ja!« Kunigunde zog die Nase hoch, es klang wie ein Schluchzen. »Auch sie war verdammt, Katharina!«
    »Darum musste sie sterben?«
    Kunigunde antwortete nicht, aber es war deutlich, wie sehr sie jetzt in ihrer Wahnvorstellung von Verdammnis, Schuld und Sühne gefangen war.
    »Warum Heinrich?«, fragte Katharina leise.
    »Von Dagmar erfuhr ich, wo er lebte, und ich suchte ihn auf, um mich zu vergewissern, dass wenigstens er von dem Fluch der Sünde verschont geblieben war.«
    Katharina schüttelte den Kopf. »Vergeblich.«
    Auch Heinrich hatte diese Schatten in den Augen gehabt. Was sein Todesurteil gewesen war.
    »Und Raphael? Wie konntet Ihr wissen, dass er im Haus meines Mannes war?«
    Da legte Kunigunde den Kopf schief. »Nun, es hat mich einige Tage gekostet, es herauszufinden! Ich habe seine Nachbarn und Kollegen befragt, aber erfahren habe ich es eigentlich von Bruder Johannes. Es hat nur eine Weile gedauert, bis ich mich daran erinnerte, dass er es mir längst erzählt hatte.«
    Verständnislos sah Katharina sie an.
    »Ihr selbst müsst ihm gesagt haben, dass Raphael im Fischerhaus wohnte.«
    Das stimmte!, durchfuhr es Katharina siedendheiß, und wiederüberkam sie das Gefühl, verantwortlich zu sein. Wenn sie geschwiegen hätte, wenn sie Johannes gegenüber nichts davon gesagt hätte, dass Raphael Krafft sich bei Egbert aufgehalten hatte ...
    Sie knirschte mit den Zähnen. Inzwischen spürte sie ihre Hände und Füße nicht mehr, dafür schmerzten die Muskeln ihrer Arme, die in so unnatürlicher Haltung auf ihren Rücken gezwängt waren.
    Kunigunde ließ die Haarnadel in ihre Hand fallen und packte sie wie eine Waffe.
    Katharina konnte den Blick nicht davon abwenden. Ihr wurde schlecht, als sie sah, wie Kunigunde auf sie zukam.
    »Und jetzt?«, murmelte die Priorin.
    Fieberhaft überlegte Katharina, was sie noch sagen konnte, um die Frau von ihrem Wahn abzubringen. Sie warf den Kopf in den Nacken und schrie um Hilfe.
    »Schreien nützt nichts!«, meinte Kunigunde. »Ich werde dich jetzt von deinem Elend erlösen. Der Mensch ist schwach und bricht Gottes Gebote mit jedem Atemzug. Du liebst einen anderen Mann, obwohl du bis eben noch verheiratet warst. Auch du bist voller Sünden, und das wird jetzt ein Ende haben!«
    Richard! , dachte Katharina.
    Und schrie erneut.
    Gefolgt von Arnulf und Lukas umrundete Richard das halbe Kloster, um zum Torhäuschen zu gelangen, dem einzigen anderen Zugang, der ihnen noch blieb, wenn sie Katharina retten wollten.
    Die Tür zwischen Chor und Kloster hatte sich als zu massiv erwiesen, um sie gewaltsam aufzubrechen. Von dem Versuch allein schmerzte Richards Schulter und auch die alten Verletzungen auf seinem Rücken. Er achtete nicht darauf. Alles, woran er denken

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