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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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erschließen konnte. Überhaupt: Warum duzte die Priorin sie auf einmal?
    »Ich meine, deinen Mann zum zweiten Mal zu verlieren. Aber vergiss nicht: Gottes Wege sind unergründlich! Vielleicht wollte er dir ein Zeichen geben!«
    Gottes Wege sind unergründlich!
    Noch vor einigen Tagen hatte die Priorin ihr dafür gedankt, dass sie diesen Gemeinplatz nicht verwendet hatte. Katharinas Geist fühlte sich an, als sei er in klebrigen Sirup getaucht. Irgendwo in ihrem Kopf wollte sich ein Gedanke formen. Eine winzige, hartnäckige Stimme flüsterte ihr zu: Es stimmt etwas nicht, sei auf der Hut! Aber sie bekam diese Stimme nicht richtig zu fassen.
    »Was für ein Zeichen?«, hörte sie sich fragen.
    »Nun, vielleicht ist dies Gottes Art, dir zu zeigen, dass deine Zukunft hier in unserem Kloster liegt!«
    Spontan schüttelte Katharina den Kopf. »Nein!«
    Kunigunde blieb stehen. Sie befanden sich jetzt in dem Gang, in dem die Engelsstatue hing, doch noch war das Kunstwerk hinter einer Ecke verborgen. »Warum nicht?« Sie klang nicht ärgerlich, sondern nur erstaunt.
    Katharina lauschte in sich hinein. Ja, warum eigentlich nicht?
    Und sie hörte sich selbst sagen: »Es gibt einen anderen Mann.«
    Der Blick der Priorin lag schwer auf ihr. »Ein anderer Mann?«
    Katharina wollte ihr seinen Namen nennen, aber sie brachte ihn nicht über die Lippen. Richard! , dachte sie. Richard Sterner. Derjenige, der meinen Ehemann umgebracht hat.
    Was empfand sie bei diesem Gedanken? Sie wusste es nicht.
    Die Stimme der Priorin war flach, als sie fragte: »Du liebtest einen anderen Mann bereits, als der deine noch lebte?« Sie führte Katharina unter der Engelsstatue vorbei und zu der Tür ihres Gemachs.
    Was stimmt hier nicht? , flüsterte die kleine Stimme in Katharinas Hinterkopf. Beim Anblick des Engels fasste ihre Hand unwillkürlich zu der Stelle an ihrem Gürtel, an der sie Egberts Dolch vermutete. Doch dann begriff sie, dass sie die Klinge hatte fallen lassen, als sie zurück in den Chor gegangen war.
    Der Dolch!
    Wie ein Guss eisigen Wassers kam es über sie, als sie begriff.
    Sie wollte sich zu der Priorin umwenden, die nun hinter ihr ging, doch es war zu spät. Etwas traf sie mit großer Wucht seitlich an der Schläfe und löschte alles Empfinden aus.
    »Richard!« Arnulfs Ruf hallte durch die Kirche, während Richard quer durch den Chor auf die Holztür zuhastete. »Warte doch!«
    Richard achtete nicht auf ihn, sondern langte nach dem Türgriff. Mit einem Ruck wollte er die Tür aufziehen, doch es gelang ihm nicht. Kunigunde hatte sie von innen versperrt!
    Mit einem wütenden Fluch auf den Lippen fuhr Richard herum.
    »Ich muss doch bitten!«, protestierte Bruder Johannes. »Wenn Ihr schon den heiligen Bereich mit Eurer Anwesenheit entweiht ...«
    »Schnauze!«, herrschte Arnulf ihn an. Sein Blick lag ernst und forschend auf Richards Gesicht. »Was ist los?« Er betonte jedes einzelne Wort.
    Richard zwang sich zur Besonnenheit. »Du glaubst auch, dass wir falsch lagen, dass nicht Egbert der Mörder von Dagmar und den anderen war. Ich denke, es war die Priorin!«
    Es war nur ein Gefühl, aber etwas tief in seinem Innersten sagte ihm, dass dieses Gefühl nicht ganz abwegig war. Wenn Kunigunde tatsächlich wie die anderen Opfer unter diesen schwarzen Augen litt, war das vielleicht mehr als eine Verbindung. Was, wenn sie falsch gelegen hatten, wenn Egbert wirklich nicht der Mörder war?
    »Er hat sie mit dem Dolch bedroht!«, warf Arnulf ein. »Wir haben es genau gesehen.«
    Einen Moment war es sehr still in der Kirche. »Es war aber nicht sein eigener!«, murmelte Lukas dann.
    Richard sah sich zu ihm um. »Wie?«
    Der junge Mann ging quer durch den Chor. Bruder Johannes runzelte die Stirn, sparte es sich aber, wegen dieser neuerlichen Entweihung des heiligen Bereiches einen Ton zu sagen. Neben der verschlossenen Holztür bückte Lukas sich. »Das hier ist der Dolch des Doktors.«
    »Den hat Katharina fallengelassen«, meinte Arnulf.
    Richard nickte. »Und der andere, der, den Egbert in der Hand hatte?« Und mit dem er mich angegriffen hat , fügte er in Gedanken hinzu.
    Bruder Johannes sah sich um. Die schlanke Klinge lag ganz in der Nähe von Egberts Leiche. Er hob sie auf und hielt sie in die Höhe. »Hier!«, rief er. »Sie trägt das Wappen der Priorin!«
    Arnulf stieß ein Schnauben aus.
    Und Richard begann zu ahnen, was kurz vor ihrem Eindringen in die Kirche geschehen war. »Sie hat ihn bedroht, nicht umgekehrt! Ich vermute,

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