Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)
Gastes auf sein Telefonat zu lenken. Er schaltete auf Lautsprecher.
„Nicht einmal die NSA kann mit diesem Gespräch etwas anfangen? Sind Sie da sicher, Lynx?“
„Es ist die neueste Version unserer besten Verschlüsselung, Sir. Nicht freigegeben.“
„Kann man sie entschlüsseln?“
„Ja. Mit Einsatz der weltweit verfügbaren Rechenleistung würde es allerdings immer noch Monate dauern.“
„Schneller geht’s nicht?“
„Doch, Sir. Mit dem Quantencomputer. Aber wenn wir den hätten, würden Sie das wissen, Sir.“ Er machte eine kurze Pause. „Und ich auch. Allerdings würde es dann auch absolut sichere Datenübertragung geben. Eine schreckliche Vorstellung.“
Lynx’ Stimme enthielt keine erkennbare Emotion. Sie klang so unnatürlich wie immer. Neben der neuesten Verschlüsselung setzte er auch einige Elektronik ein, um sie unidentifizierbar zu machen. Der Hausherr lachte.
„Was haben Sie?“
„Es gibt eine neue Waffe, Sir.“
„Ja?“
„Kaum größer und schwerer als ein Football. Kein Sprengstoff, keine Biologie, keine Strahlung. Keine Infrastruktur erforderlich. Eine einzelne Person kann damit aus größerer Entfernung ungeheure Zerstörung anrichten.“
„In welchem Ausmaß?“
„Sie könnte in einem Ausflugsboot sitzen und eine Hälfte von New York auf die andere klappen. Ohne dabei groß aufzufallen.“
„Wer baut diese Waffe?“
„Das kann ich noch nicht sagen. Ich glaube, es handelt sich um ein Einzelstück.“
„Haben Sie es?“
„In Reichweite. Allerdings auch in Reichweite des Gegners.“
„Welches Gegners?“
„Andere Dienste und Terror.“
„Wo?“
„Europa, Sir.“
Es folgte eine längere Pause.
„Europa ist interessant. Wunderbarer Verbündeter. Hin und wieder etwas träge. Probleme mit der Motivation. Andererseits sehr empfänglich für Impulse. Eines ist klar, Lynx: Am Ende müssen wir die Waffe haben. Sie verstehen mich?“
„Am Ende, Sir. Ja, Sir.“
„Zahlung wie üblich?“
„Nein, Sir. Das Dreifache. Nur die Abwicklung wie üblich.“
Der Hausherr erhob sich halb aus seinem Sessel, sein Gesicht rötete sich. Dann sah er den leicht spöttischen Blick seines Besuchers und ließ sich zurücksinken.
„Okay, Lynx. Wenn es etwas wirklich Großes ist.“
Wie in einem Ausbildungscamp der Marines kam die prompte Antwort.
„Sir! Ja, Sir!“
Die Verbindung war unterbrochen, der Gast leicht verwirrt.
„Lynx? Eine neue Waffe, die New York zusammen klappen kann? Für mich klingt das ziemlich gefährlich. Was ist, wenn dieser Mann Sie falsch versteht – was immerhin möglich wäre – und zu weit geht?“
Der Hausherr zündete sich eine Zigarette an. Dann stand er auf, groß und fast 100 Pfund schwerer als in seiner besten Profisaison.
„Kommen Sie.“
Er führte seinen Gast zu einer der schlanken, säulenartigen Bars aus Glas und Edelstahl, die im weiten Rund des Panoramahalbkreises verteilt waren wie die Stundenmarken einer Uhr. Von 9 bis 3. Zwölf war die äußerste Marke. Dort stellten sie sich hin und tranken und rauchten.
Ob der Zeitpunkt gewählt war oder Zufall, jenseits der Nadelzinnen senkte sich langsam die Sonne und tauchte Tal und Ranch in ein überwältigendes Abendrot.
„Sehen Sie sich die Berge an“, sagte der Hausherr. „An diesem Horizont endet unsere Sicht. Doch wir wissen, dass dahinter andere Horizonte liegen, immer und immer wieder. So viele, bis wir uns selbst wieder sehen. Bis wir uns aus dem Osten kommend hier stehen sehen, mit dem Blick nach Westen. Es ist ein machtvoller, weiter Blick. Er reicht rund um die Erde.“
Der Gast wartete.
„Alle Horizonte in allen Himmelsrichtungen müssen diese Macht spüren“, fuhr der Hausherr fort. „Das ist das Wesen der Macht. Weltmächte folgen eigenen Gesetzen. Alle Weltmächte haben das gewusst. Die Römer, die Briten, jetzt wir. Die anderen jammern und verstehen nicht. Na und?“
Er trank aus und stellte sein Glas hart zurück.
„Die Weltmacht muss es verstehen, das reicht. Es ist kein Schönheitswettbewerb. Wir wissen das und unsere Feinde wissen es. Und Lynx weiß es wahrscheinlich am besten. Er weiß, dass er gar nicht zu weit gehen kann. Wenn er nur das Richtige zum rechten Zeitpunkt macht.“
Sein Gast dachte an endlose Sitzungen und Debatten in Ausschüssen und Unterausschüssen.
„Hat er irgendeinen offiziellen Status?“
Der Hausherr grinste ihn an, breit, fleischig und zahnreich.
„Nein. Er arbeitet auf eigene Rechnung. Kostet mich viel.“ Er legte
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