Chicagoland Vampires: Drei Bisse frei (German Edition)
GP zu haben und sie notfalls auch in die Schranken zu weisen. Ich war ihnen nicht beigetreten, aber ich hatte meine Verbindung zu ihnen genutzt, als ich die RG bat, uns bei der Verteidigung unseres Hauses zu helfen. Vielleicht war jetzt der richtige Zeitpunkt, um wieder mal zum Telefon zu greifen …
»Und dieser McKetrick?«, fragte Malik.
»Der kann warten«, sagte Ethan entschlossen. »Er kann warten, bis er schwarz wird, denn wir werden Chicago nicht verlassen.«
Ich würde meinen Großvater nach Sonnenuntergang besuchen, aber bis dahin hatte ich noch einige Stunden Dunkelheit zur Verfügung und dann etliche Stunden Tageslicht vor mir.
Alle Gästezimmer des Hauses, in denen etwa neunzig der gut dreihundert Vampire Cadogans lebten, waren eingerichtet wie kleine Studentenwohnheimzimmer. Ein Bett. Ein Schreibtisch. Ein Nachttisch. Kleiner Wandschrank, kleines Badezimmer. Die Räume waren nicht gerade luxuriös, aber sie boten uns einen Rückzugsort vor dem alltäglichen Vampirchaos. Wenn man bedachte, welchen Ärger wir uns regelmäßig einhandelten, waren Orte der Stille wirklich wünschenswert.
Mein Zimmer im ersten Stock roch wie der Rest des Hauses noch nach den Renovierungsarbeiten. Frische Farbe. Lack. Mörtel. Gips. Es roch aber irgendwie gut, neu. Wie ein Neuanfang.
Das Unwetter brach über dem Haus los, als ich die Tür schloss, und Regen prasselte gegen das Zimmerfenster. Ich schälte mich aus meinem Kostüm, zog die Mary Janes aus und ging in das kleine Badezimmer, wo ich mir das Gesicht wusch. Das Make-up wurde ich recht schnell los, die Erinnerungen ließen sich nicht so leicht abspülen.
Da gab es nun schon manches, was ich nur mühsam verdrängen konnte – die Geräusche, der Gesichtsausdruck, die Berührungen Ethans, seinen Körper. Ich hatte versucht, diese Erinnerungen wegzusperren, sie aus meinen Gedanken herauszuhalten, damit ich meine Arbeit erledigen konnte. Sie waren aber immer noch da. Es schmerzte nicht mehr so wie zu Anfang, aber was geschehen war, konnte man nicht ungeschehen machen. Ob ich es wollte oder nicht, diese Erinnerungen würden mir wohl immer bleiben.
Als ich mir Tank-Top und Shorts angezogen hatte, warf ich einen Blick auf die Uhr. Ich musste bis Sonnenaufgang noch zwei Stunden totschlagen, was bedeutete, dass mir noch eine Stunde Freizeit blieb bis zu meinem Treffen mit meinem anderen blonden Lieblingsvampir.
Die erste Aufgabe: die grundlegenden Bedürfnisse eines Vampirs befriedigen. Ich ging den Flur entlang zur Küche im ersten Stock und lächelte einigen Vampiren zu, an denen ich vorbeikam und deren Gesichter mir vage vertraut erschienen. Jedes oberirdische Stockwerk verfügte über eine Küche, was sich als sehr praktisch erwies, da sich Vampirnotfälle nicht unbedingt an Kantinenzeiten hielten. Ich öffnete den Kühlschrank und nahm mir zwei Getränkekartons Blutgruppe A heraus (bereitgestellt von unserem Lieferservice, der den wenig originellen Namen »Lebenssaft« trug) und ging damit wieder in mein Zimmer. Die meisten Vampire hatten glücklicherweise ihren Blutdurst ziemlich gut im Griff, und ich gehörte dazu. Aber bloß weil ich die Getränkekartons nicht sofort mit meinen Fangzähnen bearbeitete, bedeutete das nicht, dass ich das Blut nicht dringend brauchte. Im Großen und Ganzen war der Blutdurst bei Vampiren ganz ähnlich wie der Durst bei Menschen: Wenn man mit dem Trinken wartete, bis der Durst regelrecht schmerzte, war es vermutlich schon zu spät.
Während ich auf die Ankunft Ihrer Hoheit wartete, stach ich einen Strohhalm in einen der Getränkekartons und sah den Bücherstapel durch, der sich an meiner Zimmerwand angehäuft hatte. Das war mein MIL -Stapel – Muss-ich-lesen-Bücher. Er enthielt die üblichen Verdächtigen: Frauenromane, Action, einen Pulitzerpreis-Gewinner. Ein Liebesroman über einen Piraten und eine Maid mit tief ausgeschnittener Bluse. (Was denn? Selbst eine Vampirin weiß ab und zu aus Leidenschaft zerrissene Mieder zu schätzen.)
Obwohl ich oft die letzten Stunden vor Sonnenaufgang in meinem Zimmer verbrachte, wurde der MIL -Stapel nicht kleiner. Nach jedem ausgelesenen Buch fand ich in der Hausbibliothek etwas Neues. Gelegentlich wachte ich bei Abenddämmerung auf und fand vor meiner Tür einen weiteren Bücherstapel, den mir wohl der Bibliothekar hingestellt hatte, ein weiterer Novize. Seine Auswahl bestand in der Regel aus politisch relevanten Themen: Geschichten über die uralte Feindschaft zwischen Vampiren und
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