Chicagoland Vampires: Drei Bisse frei (German Edition)
Formwandlern, Biografien der hundert vampirfreundlichsten Politiker der westlichen Welt oder für Vampire bedeutsame historische Ereignisse. Ganz gleich, wie ernst das jeweilige Thema war, der Buchtitel war meist völlig daneben.
Direkt an der Ader: Vampirische Beiträge zu westlicher Architektur.
Fangzahn versus Mahlzahn: Bedeutende Vampirpolitiker der Geschichte.
Trinken oder nicht Trinken: Die Dialektik der Vampire.
Blutwurst, Bluteintopf, Blutorange: Leckereien für jede Jahreszeit.
Ein echter Höhepunkt war dabei der scheußlich betitelte Plasmatlas , der Karten von Orten enthielt, die eine besonders große Vampirpopulation aufwiesen.
Vielleicht war der leitende Redakteur des Vampir-Verlags derselbe Typ, der sich die Kapitelüberschriften meines Vampirwegweisers ausgedacht hatte, des Kanons der Nordamerikanischen Häuser .
Beide hatten nämlich einen deutlichen Hang zu Kalauern, die geradezu physischen Schmerz nach sich zogen.
Aber die bezaubernden Titel waren nicht der einzige Grund, lieber im stillen Kämmerlein zu lesen – denn da draußen lief Ethan rum. Wich ich dem Meister aus? Offensichtlich. Doch wenn man sich tagtäglich mit etwas auseinandersetzen musste, was man nicht haben konnte, war es da nicht sinnvoll, sich aussichtsreicheren Dingen zuzuwenden?
Anders ausgedrückt: Warum sollte ich mir Nachtisch bestellen, wenn ich ihn doch nicht essen durfte?
Also saß ich im Schneidersitz in meinem Zimmer, in Tank-Top und Boxershorts, und las Trinken oder nicht Trinken , während der Regen auf das Dach prasselte. Ich seufzte, lehnte mich in die Kissen zurück und versank in der Geschichte, in der Hoffnung, etwas halbwegs Lehrreiches oder Unterhaltsames zu lesen. Oder wenigstens etwas Wissenswertes.
Egal.
Eine Stunde später klopfte Lindsey an meine Tür, und ich machte ein Eselsohr in die Seite, auf der ich gerade war (eine schlechte Angewohnheit, ich weiß, aber ich habe nie ein Lesezeichen zur Hand).
Das Buch war überraschend aufschlussreich. Es lieferte die ersten schriftlichen Aufzeichnungen eines Leidens, das als Hämoanhedonie bezeichnet wurde – die Unfähigkeit, das Trinken von Blut als Genuss zu empfinden. Vampire, die darunter litten, verteufelten in der Regel diejenigen, die von Menschen tranken. Wenn man dann noch die Tatsache einkalkulierte, dass es ohnehin gefährlich war, ein »praktizierender« Vampir zu sein – Menschen fanden es zumeist nicht sonderlich sympathisch, als Erfrischungsgetränk betrachtet zu werden – , dann fingen die Blutsauger eben irgendwann an, das Ganze heimlich zu tun, um sich jeglicher Kritik zu entziehen. Abrakadabra: Schon haben wir unsere Raves.
Ich behielt diesen historischen Hintergrund für weitere Überlegungen im Kopf, legte das Buch auf den Nachttisch und öffnete die Tür.
Lindsey stand vor mir im Flur. Blonder Pferdeschwanz, unglaubliche Figur und albernes Grinsen im Gesicht – so mochte ich meine Kollegin bei der Wache und engste Vertraute hier im Haus (Ethan zählte in diesem Fall wohl nicht). Sie trug Jeans und ein schwarzes T-Shirt mit dem Aufdruck CADOGAN in weißen Großbuchstaben auf der Brust. Sie trug keine Schuhe und hatte ihre Zehennägel in einem schillernden Goldton lackiert.
»Hallo, Blondschopf!«
»Merit. Ich mag deine Klamotten.« Sie betrachtete mein Tank-Top und meine Boxershorts eingehend: Oben stand » ILLINOIS LIEBT DIE LIEBE !«, und unten waren die Cubs auf Kleeblättern zu sehen.
»Hüterin außer Dienst zu deinen Diensten. Komm rein.«
Sie ließ sich aufs Bett fallen. Ich machte die Tür zu.
Eins unserer ersten Treffen als Freundinnen hatte in ihrem Zimmer stattgefunden. Die Zutaten waren reichlich Pizza und Realityshows, was nicht gerade unsere intellektuelle Seite ansprach, uns aber die Möglichkeit bot, einfach mal rumalbern zu können: Welches It-Girl war mit welchem Rockstar zusammen, oder wer würde wohl die völlig abgefahrene Aufgabe dieser Woche für sich entscheiden … Es gab uns Gelegenheit, eine Zeit lang nicht an Leute zu denken, die uns umzubringen versuchten, und uns von den Anstrengungen zu entspannen.
Ich schaltete meinen neuen kleinen Fernseher ein (mein Hüterinnengehalt zahlte sich bereits aus) und zappte durch die Programme, bis ich die Realityshow des heutigen Abends fand. Die männlichen Teilnehmer mussten Rätsel lösen, damit sie ihre Insel voller Exfreundinnen verlassen durften.
Wir reden hier von erstklassiger Unterhaltung. Wirklich stilvoll.
Ich schmiss mich neben Lindsey aufs
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