Chicagoland Vampires: Ein Biss zu viel (German Edition)
erahnen konnte, was sich Tate von mir wünschte, gestand ich mir innerlich ein, dass ich ihm den Gefallen möglicherweise nicht erweisen würde.
Tate lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Das war’s. Du kannst dieses Problem allein lösen. Vielleicht kann dir ja einer deiner Freunde helfen? Sie sind doch Hexenmeister, oder nicht? Sie sollten in der Lage sein, dir die Situation zu erklären.«
Sollten sie eigentlich, aber sie haben keine Ahnung, dachte ich.
Ich strich erneut mit den Fingerspitzen über den Anhänger und die eingravierten Buchstaben. Das Medaillon gehörte mir, seit ich in das Haus aufgenommen worden war. Ich war nicht nur von einer Initiantin zur Novizin aufgestiegen, sondern man hatte mir auch die Aufgabe der Hüterin übertragen.
Ethan hatte mir dieses Medaillon um den Hals gelegt. Seit seinem Tod hatte ich es praktisch nicht mehr abgenommen. Doch die Probleme, mit denen sich Chicago und seine übernatürlichen Bewohner konfrontiert sahen, waren wichtiger als ich oder Ethan oder ein kleines Stück Gold. Ich lenkte ein.
Ohne ein weiteres Wort zu Tate – obwohl ich seine selbstgefällige Zufriedenheit von der anderen Seite des Tisches spüren konnte – machte ich das Medaillon los und ließ es in meine Hand fallen.
Tate streckte mir die Hand entgegen, um es an sich zu nehmen, aber ich schüttelte den Kopf.
»Zuerst die Informationen«, sagte ich. »Die Belohnung gibt es später.«
»Ich hatte ja keine Ahnung, dass du so … stur sein kannst.«
»Ich habe nur von den Besten gelernt«, sagte ich und schenkte ihm ein zuckersüßes Lächeln. »Ich bin ganz Ohr.«
Tate dachte über unseren Handel noch einen Augenblick nach, nickte dann aber.
»Nun gut. Abgemacht. Doch wie du dir vorstellen kannst, bekomme ich hier nicht oft Besuch. Ich werde daher etwas länger brauchen. Außerdem scheinen dir selbst die grundlegendsten Kenntnisse über die Welt der Übernatürlichen zu fehlen.«
Ich konnte mir den Seufzer nicht verkneifen. Mir heute Abend von Tate eine langatmige Geschichte anhören zu müssen, stand auf meiner Aufgabenliste nicht gerade weit oben. (Eigentlich stand »Die Stadt retten« an erster Stelle.) Andererseits hatte er wahrscheinlich recht. Mir fehlten diese Kenntnisse.
Er mochte sich zwar dafür entschieden haben, weit auszuholen, aber er verschwendete keine Zeit damit, es sich in seinem Stuhl gemütlich zu machen und mich an seiner unendlichen Weisheit teilhaben zu lassen.
»Die Magie entstand nicht erst, als die Vampire diese Welt betraten«, begann er. »Sie kam schon seit Jahrtausenden auf dieser Ebene und auch anderen vor. Das Gute und das Böse existierten Seite an Seite, und ihre Beziehung war im Vergleich zu heute symbiotischer, vorsichtig ausgedrückt. Sie waren Partner und lebten in Frieden miteinander, ohne dass der eine besser als der andere war. Es gab eine gewisse Gerechtigkeit auf der Welt. Die Magie war eine Einheit. Dunkelheit und Licht waren eine Einheit. Gut und Böse waren eine Einheit. Eine Unterscheidung gab es noch nicht. Magie existierte einfach. Sie war weder moralisch noch unmoralisch, sondern amoralisch, und so sollte es auch sein. Und dann, an einem ganz besonderen Tag, kamen die Menschen zu dem Entschluss, dass das Böse nicht mehr die andere Seite der Medaille war – es war falsch. Schlecht. Nicht die andere Hälfte des Guten, sondern sein Gegenstück. Seine Apotheose.«
Tate zeichnete mit seinem Finger ein Quadrat auf die Tischplatte. »Das Böse wurde als Verunreinigung angesehen. Es wurde dem Guten entzogen und von ihm getrennt.«
Mallory hatte mir mal erklärt, dass sich die schwarze Magie wie ein spiegelgleiches Raster über die mir bekannten vier Schlüssel legte. Ihre Erklärung schien also recht zutreffend zu sein.
»Wie trennte man die Magie?«, fragte ich.
»Warte«, sagte er. »Es gab eine Reihe von Durchläufen. Die Götter wurden in zwei Gruppen unterteilt, von denen die eine moralisch und die andere unmoralisch war. Man musste sich für eine Seite entscheiden, und die Engel wurden als wahre oder gefallene Engel angesehen. Doch für einige war das Wichtigste, dass das Böse in einem Behältnis untergebracht wurde, in dem es eingesperrt blieb. Es wurde nur an die wenigen ausgeteilt, die es einsetzen wollten.«
»Was war dieses Behältnis?«
»Es wird als das Maleficium bezeichnet.«
»Aber was hat das mit der Stadt zu tun? Man hat mir gesagt, dass sich die vier Elemente – Erde, Luft, Feuer und Wasser – im Ungleichgewicht
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