Chicagoland Vampires: Ein Biss zu viel (German Edition)
ihrer Oberfläche waren Schriftzeichen eingeritzt, aber aus dieser Entfernung konnte ich sie nicht lesen.
» Piedra de Agua «, sagte sie. »Der Wasserstein. Die Macht einer Sirene ist in ihm eingeschlossen.«
Ich sah sie verwirrt an. »Das verstehe ich nicht.«
»Den Stein zu besitzen bedeutet, die See-Sirene zu werden«, sagte sie. »Um seine Magie auszulösen, muss man den Stein darum bitten, aber er akzeptiert nur gewisse Besitzer. Sobald er dir gehört, gehört er dir, bis der nächste Besitzer auftaucht.«
»Also haben Sie sich aus freien Stücken dazu entschieden, eine Sirene zu werden?«
Loreley wich meinem Blick aus und starrte ins Wasser. »Streng genommen hatte ich die Wahl, den Stein und die mit ihm verbundenen Pflichten zu übernehmen, aber ich hatte nicht viele Auswahlmöglichkeiten.«
»Und die Schiffe an der Küste?«
Sie sah mich mit Stolz im Blick an. »Ich habe mich entschlossen, den Stein anzunehmen, aber ich handhabe die Dinge ein wenig anders. Ich bin die Sirene des Sees, und ich muss singen, aber ich habe den verlassensten Ort gewählt, den es gibt. Rosa und Ian, mein Ehemann, helfen dabei, die Seeleute wieder zum Festland zu bringen. An den Bootsschäden kann ich wenig ändern.« Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Aber sie sind alle versichert.«
An dieser Logik hatte ich nichts auszusetzen. »Wie lange muss man als Sirene dienen?«
»Die Loreley vor mir – wir nehmen alle den Namen an, um den Mythos am Leben zu halten – hat hier sechsundneunzig Jahre lang gelebt. Natürlich«, sagte sie mit einem breiten Grinsen, »war sie bereits zweiundvierzig, als sie zur Sirene wurde. Das ist also ein recht netter Vorteil.«
Ich hatte den Eindruck, dass meine eigene Geschichte vielleicht helfen konnte, und fasste sie daher kurz zusammen. »Ich wurde ohne meine Einwilligung in eine Vampirin verwandelt. Man hat mir damit zwar das Leben gerettet, aber ich hatte das so nicht geplant. Es war eine komplette Überraschung.«
Sie sah mich interessiert an. »Also weißt du, was es heißt, sein Leben von vorn beginnen zu müssen. Dass man das, was man mal war, gegen das abzuwägen hat, was man werden muss.«
Ich dachte an all die Dinge, die ich im letzten Jahr getan und erlebt hatte – den Tod, den Schmerz, die Freude. Die Anfänge … und das Ende so vieler Dinge.
»Ja«, antwortete ich leise. »Ich weiß, wie das ist.« Dieser Gedanke erinnerte mich daran, warum ich eigentlich hier war. »Loreley, wenn Sie hierfür nicht verantwortlich sind, haben Sie vielleicht eine Ahnung, wer es sein könnte?«
»Wenn die Flussnymphen nichts damit zu tun haben – wenn also keiner der Wassergeister seine Finger im Spiel hat –, dann glaube ich, dass du deinen Suchradius erweitern musst.«
»In welche Richtung?«
Sie wich meinem Blick wieder aus und wirkte diesmal schuldbewusst.
»Loreley, ich muss es wissen. Es geht hier nicht nur um die Nymphen. Unsere Häuser sind in Gefahr. Die Menschen machen uns schon jetzt für alles verantwortlich, und wenn das so weitergeht, dann wird das Registrierungsgesetz auf jeden Fall verabschiedet.«
»Es gibt nur eine andere Gruppe, die genau wie wir in enger Verbindung mit der Natur steht«, sagte sie schließlich. »Wir finden unseren Trost und unsere Achtung im Wasser. Darin, wie es fließt, wie es in der Lage ist, zu reinigen und zu zerstören. In ihm liegt unsere Macht.« Sie schloss die Augen. »Ihre Macht liegt in der Erde. Sie behandeln sie mit Ehrerbietung – ihre Wälder, ihre Wildnis.«
Mir rutschte das Herz in die Hose. »Sie sprechen von den Formwandlern?«
»Die Rudel sind doch in Chicago, oder?«
»Weil wir sie gebeten haben zu bleiben. Sie würden so was nicht tun.«
»Hättest du gedacht, dass sie dein Haus angreifen?«
Genau genommen hatte nur eine Handvoll rachsüchtiger Formwandler das Haus angegriffen, aber sie hatte nicht unrecht. »Natürlich nicht.«
»Du kannst nicht einfach ignorieren, wer sie sind oder wozu sie fähig sind. Du weißt von der besonderen Energie zwischen Nymphen und Formwandlern?«
»Man kann sie kaum übersehen.«
»Das liegt an der Energie, die aus der Verbindung zwischen Erde und Wasser entsteht«, sagte sie. »Hier treffen die Elemente aufeinander. Vielleicht ist das Wasser erkrankt, weil zu viele Formwandler und Nymphen in der Stadt sind.«
Ich hatte zwar keine bessere Theorie zu bieten, aber es schien mir doch zu einfach, die Formwandler zu beschuldigen – eine Gruppe, mit der sowohl Nymphen als auch
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