Chiemsee-Cowboys - Oberbayern Krimi
Ist schon eine Zeit her. Kaum hab ich am Tisch gesessen, kommt schon die Bedienung und gibt mir die Karte. Und ist nach zwei Minuten wieder da und fragt: ›Haben Sie schon was gefunden?‹ Ich sag: ›Nein, ich geh erst mal noch in mich.‹ Und sie sagt: ›Gut, dann bleiben ’S da halt noch ein bisserl, ich hab eh genug zu tun.‹ Aber das Essen, das war sehr gut, weiß ich noch. Da, jetzt rechts rein, da ist der Kirchplatz. Park irgendwo hier, ich zieh mal meine Kreise.«
»Warum Kreise? Nach was genau suchen wir?
»Alter«, seufzt der Zeno, »einen toten Briefkasten, wenn’s hier wirklich einen geben sollte, den finden wir sowieso nicht. Und du, du würdest keinen erkennen, selbst wenn du über einen stolperst und dir die Haxen dabei brichst. Aber vielleicht find ich Hinweise, Zeichen, irgendwas. Weißt du, wie so was abgeht, mit Nachrichten und so?«
»Nein, Herr Lehrer, erzähl mal.«
»Das läuft meistens so: Nehmen wir an, der Achs hat eine neue Ladung Drogen, oder es geht um Waffen oder was weiß ich. Die hinterlegt einer seiner Jungs in einem Versteck, das wir einen ›toten Briefkasten‹ nennen. Er selber macht das nicht, denn einer in seiner Position soll ja nicht durch einen blöden Zufall mit dem Zeug geschnappt werden. Er fährt nach Rottau und hinterlässt hier irgendwo ein Zeichen. Das kann ein Band an einem Baum sein, oder ein Kreidekreuz an einem Grabstein, oder ein Stein auf der Mauer da vorne. Der Empfänger, der kommt hier vorbei, sieht das Zeichen und weiß, dass was in dem Versteck ist. Er nimmt das Zeichen weg, und fährt zum Versteck und holt die Ware. Unser Cerno, der fährt ebenfalls hier wieder vorbei, sieht, dass das Zeichen weg ist, und weiß, dass zu einem späteren Zeitpunkt, den die beiden ausgemacht haben, in dem Versteck das Geld für die Ware liegt. Das lässt er von einem seiner Jungs abholen. So hat keiner den anderen gesehen, die gesamte Absprache muss nur ein einziges Mal getroffen werden. Dazu haben sich Cerno und der Capo der hiesigen Truppe ein Mal getroffen. An einer Autobahnraststätte, in einem Café in der Fußgängerzone oder so. Ist eine ziemlich sichere Sache, dieses System. Absender und Empfänger sind nie zur selben Zeit am selben Ort und können sich theoretisch sogar persönlich unbekannt sein. Außerdem kann man den Briefkasten auch sehr gut zur Übergabe von Erpressergeld benutzen. So weit kapiert? Und wenn der Empfänger, also, der Kontakt hier vor Ort, wenn der was braucht oder eine Nachricht an den Achs hat, dann macht der sein Zeichen an der vereinbarten Stelle. Das muss gar nicht unbedingt hier sein, das macht das Ganze so kompliziert für uns mit der Überwachung und dem Auffinden.«
»Ist mir zu umständlich. Schau du dich mal um, ich weiß sowieso nicht, nach was ich sehen soll. Ich geh ins ›Fischerstüberl‹ und trink ein Bier. Bis gleich.«
Kopfschüttelnd marschiert der Zeno zur Kirche, und der Stocker marschiert auf der Hauptstraße die paar Meter zurück zur Gaststätte.
Zwei kleine Biere später kommt der Zeno grinsend in die holzverkleidete Stube und setzt sich an den Tisch, nimmt Stockers Glas und trinkt es auf einen Zug aus: »Ahh … geht runter wie Schampus. Was denkst du, was ich hier habe?«
Stocker beugt sich über den Tisch und sieht zwischen Zenos Daumen und Zeigefinger einen ziemlich ramponierten Zigarettenstummel. Der Filter ist von undefinierbarer Farbe und die Baumwolle dunkelbraun vom Nikotin.
»Wow! Eine Kippe, und das hier in Deutschland, wo fast überall Rauchverbot ist! Mittlerweile eine echte Rarität. Ist bei eBay sicher für ein Affengeld zu versteigern.«
»Hier drin werd fei net graucht. Is des klar, meine Herren?« Das kommt von der Bedienung, die, von den beiden unbemerkt, an den Tisch getreten ist.
»Er will nicht rauchen. Bringen Sie ihm ein Glas heißes Wasser, bitte, er will sich mit dem Stummel nur einen Tee aufbrühen. Er war früher ein starker Raucher, wissen ’S. Und eine Brez’n braucht er, zum Reintunken. Dann wird er gleich wieder ruhiger, ehrlich.«
Die Bedienung schaut die beiden an und sagt: »Ihr seid’s ja echte Komiker, ihr zwei. Kennt’s ihr den: Da sitzen zwei Skelette auf einem Grabstein. Sagt das eine Skelett zum anderen: ›Du rauchst ja immer noch.‹ Sagt das andere: ›Ja, schon, aber nicht mehr auf Lunge.‹ Ich bring euch jetzt noch zwei Bier. Und einen Korb mit Brez’n, die könnt’s ja dann in euer Bier tunken.«
Und weg ist sie. Der Zeno schaut auf seinen
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