Chili Con Knarre
schätzte ihn auf höchstens Dreißig. Er war eine unauffällige Erscheinung von mittlerer Statur mit schlammfarbenem Haar, tief liegenden braunen Augen, einer spitzen Nase und einem ebensolchen Kinn. Nichts an ihm stach besonders ins Auge. Der Mann war in jeder Hinsicht durchschnittlich, abgesehen von seiner besonders ruhigen Art im Umgang mit Tieren, jedenfalls was den Dalai Lama betraf.
»Hey, mein Junge«, sprach Dwight die nervöse Katze sanft an. »Was ist denn los mit dir, mein Großer?«
James erkannte darin sein Stichwort, dem Tierarzt die Symptome des getigerten Katers zu schildern. »Hm, er zeigt beim Fressen nicht den gewohnten Appetit. Wir sind in Sorge, dass etwas Ernsteres im Spiel sein könnte. Außerdem erbricht er recht häufig.«
Dwight nickte, ohne jemals den Blick von Dalai Lama abzuwenden. Er streichelte sanft das Katzenfell und kraulte ihn unter dem Kinn. Der Kater reagierte darauf mit Schnurren, rieb sich an den Fingern des Tierarztes und schaute schließlich mit einem Ausdruck reinster Bewunderung zu Dwight auf. Dwight lächelte, und obwohl sein Lächeln einen traurigen Anstrich hatte, erkannte James im Gesicht des jüngeren Mannes dessen Lebhaftigkeit. Während der Tierarzt sorgfältig den
Bauch des Katers massierte, erkundigte er sich: »Ist er mit seinen Impfungen auf dem Laufenden?«
James zögerte, da er jedoch wusste, wie viel Dalai Lama Gillian bedeutete, glaubte er die Frage ruhigen Gewissens mit »ja« beantworten zu können.
Dwight nickte. »Haben Sie den Eindruck, dass er in letzter Zeit mehr trinkt als sonst?«
»Hm«, begann James. Er hatte keine Ahnung, was er darauf sagen sollte. Er beschloss aufrichtig zu sein. »Das weiß ich, ehrlich gesagt, nicht.«
»Und was ist mit dem Erbrechen? Ist es nur hin und wieder oder häufiger?«
Erfreut, darauf eine exakte Antwort geben zu können, schrie James fast: »Ja, eigentlich recht häufig.«
Der junge Tierarzt strich mit seinen langen, schmalen Händen über die Hüften Dalai Lamas. »Nach dem Fressen?«
»Nicht unmittelbar danach«, mutmaßte James, »aber doch, nach den Mahlzeiten.«
»Auf mich macht er einen recht gesunden Eindruck«, stellte der Arzt auf seine ruhige Art fest. »Doch es gibt ein paar Dinge, die wir überprüfen können. Möglicherweise hat er eine Laktoseintoleranz, aber wenn er sein ganz normales Futter, nachdem er es gefressen hat, wieder erbricht, könnte er auch an einer Darmentzündung leiden.«
»So was bekommen auch Katzen?« James war überrascht.
Dwight nickte. »Ich würde Ihnen empfehlen, ihm etwas Metamucil zu geben oder es mit Kürbisfleisch aus der Dose zu versuchen. Vielleicht braucht er nur etwas mehr Ballaststoffe in seiner Ernährung.«
James blieb der Mund offen stehen. »Kürbis aus der Dose?«
»Einige Katzen mögen den sehr gern.« Dwight kritzelte etwas auf die Karte von Dalai Lama .
»Bei Ihnen wird sich in den letzten Tagen viel Arbeit angestaut haben«, sagte James in bewusst einfühlsamem Ton.
Der junge Tierarzt nickte, ohne seinen Blick von der Patientenakte zu nehmen, aber James sah einen Schatten über seine Züge huschen. »So ist es, aber einer von«, er hatte Mühe, den Namen auszusprechen, »Ms. Willis’ Freunden - ein Großtierveterinär - hilft aus.«
»Das dürfte eine ziemliche Erleichterung für Sie sein«, meinte James begeistert. »Ms. Willis scheint für ihren einfühlsamen Umgang mit Tieren sehr bekannt gewesen zu sein. Hoffentlich ist ihr Freund ebenso gut darin.«
Dwights Gesicht verriet, wie aufgewühlt er war, und James wusste, dass er hier einen Nerv getroffen hatte. Der Tierarzt wandte seine Augen ab, aber James hätte schwören können, sie feucht werden zu sehen.
»Oh, dann ist er vielleicht doch nicht so gut, was?«, bohrte er scheinbar unschuldig nach, und da Dwight ihm die Antwort darauf schuldig blieb, fügte er hinzu: »Also dann bin ich wirklich froh, dass wir Sie stattdessen bekommen haben.«
»Ich habe es nicht so mit den Menschen«, gestand Dwight nach langer Pause, in der er sich wieder zu fassen versuchte. Es lag außerdem auf der Hand, dass er das Thema wechseln und nicht weiter über Colin Crabtree sprechen wollte. »Aber ich liebe alle Tiere. Sie geben einem so viel. Ihnen ist es egal, ob man Charme hat. Sie
wollen einen um sich haben, egal wie man aussieht oder wie viel Geld man verdient.« Nach diesen Worten presste er seine Lippen zusammen, weil er vermutlich bedauerte, derart private Gedanken vor einem Fremden geäußert zu
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