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Chimären

Chimären

Titel: Chimären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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ansehnlicher Zopf hervorlugte.
      Der Einbrecher wurde von dem einen Polizisten ins Auto gebracht, der andere zückte einen Notizblock und stellte seine Routinefragen. Als er sich verabschiedete, bedankte er sich im Namen der Bürger bei Herrn Schäfer, nicht ohne Frau Nachtigall zu mahnen: „Sie können von Glück sagen. Wenn Ihr Nachbar nicht so umsichtig… An der Haustür haben Sie auch keine Sicherung.“
      „Sie sollten sich wieder einen Hund anschaffen, Frau Nachtigall“, empfahl Herr Schäfer sanft der Verstörten. „Wegen der Sicherheit und – überhaupt. Damit Sie nicht so allein sind.“
      Der Polizist verabschiedete sich.
      „So einen wie Benno gibt es nicht wieder“, antwortete die Frau.
      „Wer weiß“, sagte Herr Schäfer.
      Frau Schäfer, vom Tumult geweckt, trat hinzu und fragte aufgeregt, was los sei.
      „Stell dir vor, bei Frau Nachtigall wurde eingebrochen. Aber der Dieb ist festgenommen“, berichtete ihr Mann.
      „Ihr Mann…“ Frau Nachtigall, noch verstört, wandte sich an die Nachbarin. „Ihr Mann hat dafür gesorgt. Danke, Herr Schäfer!“
      Frau Schäfer hatte die Situation erfasst. „Kommen Sie, Frau Nachtigall, auf den Schreck trinken wir einen Kleinen. Kommen Sie!“ Und sie fasste die Frau unter.
      „Aber ich kann doch nicht – so…“ Sie machte eine Geste über ihren Bademantel.
      „Na aber, unter Nachbarn. Schaun Sie doch mich an!“
      Und behutsam geleiteten sie Frau Nachtigall ins Schäfersche Haus.
    L ux hatte seine Stellung kaum verändert. In seinem Kopf empfand er nichts als Leere. Mit sich im Reinen war er. Er wollte zunächst abwarten und dann mit denen reden. Eine Vorstellung, was danach geschehen könnte, hatte er nicht. Er fühlte sich auch außerstande, sich Varianten auszumalen und deren Konsequenzen zu überdenken, so sehr er sich auch marterte. Sein Denkvermögen hatte die Grenze erreicht, und er wusste das.
      Mit Schritten, die auf den Gangplatten tackerten, erwachten Gefangene in den Nachbarkäfigen, und sie begannen zu krakeelen.
      Lux’ Interesse erregte das nicht. Er wurde erst aufmerksam, als eine ältere Frau vor der linken Zelle stehen blieb, den Insassen eingehend betrachtete: ein Collie, der bettelnd vor ihr Männchen machte.
      „Du bist ein Hübscher“, lobte sie, „aber die langen Haare!“
      Lux betrachtete die Dame, ohne den Kopf zu heben, aus den Augenwinkeln: eine hagere Gestalt mit faltigem, traurigem Gesicht, und sie roch eigenartig anheimelnd.
      Dann trat sie vor Lux’ Käfig. „Ah“, sagte sie überrascht, „doch ein Schäferhund. Na, müde? Steh’ doch mal auf, damit ich dich betrachten kann.“
      Lux wusste nicht, warum. Irgend etwas gefiel ihm an der Frau – die Stimme oder vielleicht, wie sie ihn anschaute… Er stand jedenfalls auf und stellte sich so, dass sie seinen ganzen Körper mustern konnte, was sie ausgiebig tat.
      „Oh, das sieht ja aus, als ob du mich verstehst. Aber was hast du für einen großen Kopf? Und die Frisur – wie Onkel Paul in den zwanziger Jahren, als er jung war, ts, ts, ts. Trotzdem, du gefällst mir schon ganz gut.“ Als sie sich bückte, um seine Unterseite besser sehen zu können, stellte sich Lux auf die Hinterbeine und reckte sich empor. „Meine Güte, der weiß, was ich will!“
      Lux ließ sich zurückfallen und schaute sie treuherzig an. Ein seltsames Gefühl durchströmte ihn. Es war, als zöge ihn eine unsichtbare Kraft zu dieser Frau.
      Doch die ging unterdessen weiter und stand bereits vor dem rechten Nachbarn. Doch dort hielt sie sich nicht lange auf. Ein Spitz tobte drin wild hin und her.
      Traurig blickte Lux der Frau hinterher, den Kopf an das Gitter gepresst. Dann nahm er resignierend wieder seine Ruhestellung ein, den Kopf auf die Vorderläufe…

    Lux war eingenickt.
      Er blinzelte, als er unmittelbar vor sich die staunend gedehnte Frage vernahm: „Deeen?“
      Lux sah auf. Vor seinem Käfig stand die Frau, neben ihr eine andere, jene, die offenbar die Frage gestellt hatte, und die das Futter verteilt und zu ihm von Einschläfern gesprochen hatte.
      „Wie alt wird er sein?“, fragte die Hagere. „Wissen Sie, ich brauche wieder einen. Unsere Straße ist so einsam. Stellen Sie sich vor, eingebrochen haben sie bei mir. Wenn mein aufmerksamer Nachbar…“ Und sie erzählte von dem Ereignis.
      „Höchstens anderthalb Jahre alt ist er. Aber den können Sie nicht haben.“
      „Warum den

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