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Chocolat

Chocolat

Titel: Chocolat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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nicht schon genug angerichtet?«
    Ich bewahrte meine Würde und ließ mich nicht dazu herab, ihr zu antworten, aus Furcht, in einen hitzigen Disput verwickelt zu werden. Aber sie hat sich verändert; sie ist härter geworden, ihr ehemals unbeteiligter Blick ist nun konzentriert und haßerfüllt. Auch sie ist ins Lager des Feindes übergelaufen.
    Warum begreifen sie einfach nicht, mon père ?Warum sehen sie nicht, was diese Frau uns antut? Sie zerstört unseren Gemeinschaftssinn, unseren Zusammenhalt. Sie nutzt die Fehler und Schwächen der Menschen aus. Und erntet damit Zuneigung und Loyalität, die ich – Gott steh mir bei! – in meiner Schwäche für mich selbst begehre. Es ist ein Hohn, wie sie von Wohlwollen und Toleranz, von Mitleid für die armen Heimatlosen vom Fluß predigt, während in Wirklichkeit die Verderbtheit um sich greift.
    Der Teufel tut sein Werk nicht durch das Böse, sondern durch Schwäche, Vater. Sie wissen das am allerbesten. Wo wären wir ohne die Kraft und Reinheit unserer Überzeugungen? Wie sicher können wir sein? Wie lange wird es dauern, bis das Geschwür bis in die Kirche vordringt? Wir haben gesehen, wie schnell die Fäulnis sich ausbreitet. Schon bald werden sie » interkonfessionelle Gottesdienste « fordern, um » alternative Glaubensbekenntnisse zu integrieren «, die Beichte als » nutzloses Unterdrückungsinstrument « verdammen und die » inneren Werte « verherrlichen,und ehe sie sich’s versehen, werden sie sich mit all ihrem scheinbar fortschrittlichen Denken und ihren harmlos liberalen Ansichten auf dem direkten Weg in die Hölle befinden.
    Es ist doch ironisch, nicht wahr? Noch vor einer Woche habe ich meinen eigenen Glauben in Frage gestellt. Ich war zu sehr mit mir selbst beschäftigt, um die Zeichen zu erkennen. Zu schwach, um meine Pflicht zu tun. Doch die Bibel sagt uns unmißverständlich, was wir zu tun haben. Unkraut und Weizen können nun einmal nicht auf demselben Feld friedlich nebeneinander gedeihen. Das kann einem jeder Gärtner sagen.
    Mittwoch, 5. März
    Luc ist heute wieder dagewesen, um mit Armande zu reden. Er wirkt jetzt etwas selbstbewußter, obwohl er immer noch ziemlich schlimm stottert. Aber er ist so weit aufgetaut, daß er hier und da eine scherzhafte Bemerkung macht, über die er dann selbst grinst, als sei er die Rolle des Spaßmachers nicht gewohnt. Armande war in Hochform und trug statt des schwarzen Strohhuts ein buntes Seidentuch um den Kopf. Ihre Wangen leuchteten rosig – obwohl ich annahm, daß dies, ebenso wie ihre ungewöhnlich roten Lippen, eher ihren Schminkkünsten als allein ihrer guten Laune zu verdanken war. In dieser kurzen Zeit haben sie und ihr Enkel entdeckt, daß sie mehr Gemeinsamkeiten haben, als sie vermutet hatten; ohne die hemmende Gegenwart von Caro gehen die beiden erstaunlich zwanglos miteinander um. Schwer vorstellbar, daß sie noch bis vor einer Woche kaum Kontakt hatten. Man spürt eine tiefe Vertrautheit zwischen ihnen, wenn sie sich mit gedämpfter Stimme unterhalten. Politik, Musik, Schach, Religion, Rugby, Lyrik – sieschweifen von einem Thema zum nächsten, wie Gourmets an einem Buffet, die unbedingt von jedem Gericht probieren wollen. Armande konzentriert all ihren Charme und ihre volle Aufmerksamkeit auf ihn – mal ordinär, mal gelehrt, mal gewinnend, mädchenhaft, ernst, weise.
    Kein Zweifel, das ist die Kunst der Verführung.
    Diesmal war es Armande, die auf die Zeit achtete.
    »Es wird spät, mein Junge«, sagte sie barsch. »Zeit für dich, nach Hause zu gehen.«
    Luc hielt mitten im Satz inne und schaute sie betroffen an.
    »I-i-ich habe gar nicht gemerkt«, sagte er und blickte auf seine Uhr, »d-daß es schon so spät ist.« Er schaute sich ziellos um, als sträubte er sich zu gehen. »D-dann werd ich wohl mal«, sagte er ohne Begeisterung. »Wenn ich zu spät komme, d-dreht meine M-mutter durch. D-du weißt ja, wie sie ist.«
    Klugerweise versucht Armande nicht, den Jungen gegen seine Mutter einzunehmen und enthält sich weitgehend jeglichen abschätzigen Kommentars über Caro. Auf diese eindeutige Kritik hin jedoch lächelte sie spitzbübisch.
    »Das kann man wohl sagen«, erwiderte sie. »Sag mal, Luc, ist dir denn niemals danach, ein bißchen zu rebellieren?« Ihre Augen leuchteten schelmisch. »In deinem Alter gehört das doch eigentlich dazu – da läßt man sich die Haare wachsen, hört Rockmusik, flirtet mit den Mädchen und all so was. Sonst sieht man mit achtzig ganz schön alt

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