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Chocolat

Chocolat

Titel: Chocolat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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sein Akzent war so stark, daß seine Worte kaum zu verstehen waren. »Ich brauche keine Hilfe. Ich hätte mich überhaupt nie mit Ihnen einlassen sollen. Ich bin nur deswegen immer noch hier, weil ich rausfinden will, wer mein Boot abgefackelt hat. Und Sie sind nicht meine Freunde.«
    Und dann war er verschwunden, wie ein wütender Bär hinausgestapft, begleitet vom hellen Klingeln der Türglocke.
    Als er weg war, sahen wir einander an.
    »Rothaarige Männer«, sagte Armande mitfühlend. »Stur wie die Esel.«
    Joséphine wirkte erschüttert.
    »Was für ein ungehobelter Kerl«, sagte sie schließlich. » Sie haben sein Boot doch nicht angezündet. Welches Recht hat er, seine Wut an Ihnen auszulassen?«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Er ist hilflos und wütend, und er weiß nicht, wer der Schuldige ist«, sagte ich. »Das ist eine natürliche Reaktion. Und er glaubt, wir würden ihm unsere Hilfe bloß anbieten, weil wir Mitleid mit ihm haben.«
    »Ich hasse Szenen«, sagte Joséphine, und ich wußte, daß sie an ihren Mann dachte. »Ich bin froh, daß er weg ist. Glauben Sie, er wird jetzt aus Lansquenet fortgehen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Das glaube ich nicht«, erwiderte ich. »Wo sollte er denn auch hingehen?«
    Donnerstag, 13. März
    Gestern nachmittag bin ich nach Les Marauds hinuntergegangen, um mit Roux zu reden, hatte aber ebensowenig Erfolg wie beim letztenmal. Das verfallene Haus ist von innen mit einem Vorhängeschloß gesichert, und die Fensterläden sind geschlossen. Ich stelle mir vor, wie er sich mit seiner Wut im Dunkeln verkriecht wie ein argwöhnisches Tier. Ich rief seinen Namen, und ich wußte, daß er mich hörte, aber er antwortete nicht. Ich wollte ihm eine Nachricht an der Tür hinterlassen, überlegte es mir jedoch anders. Wenn er mich sprechen will, dann muß er das von sich aus tun. Anouk war mitgekommen; sie hatte ein Papierschiff dabei, das ich ihr aus dem Umschlag einer Zeitschriftgebastelt hatte. Während ich vor Roux’ Tür stand, ließ sie es im Fluß schwimmen und hielt es mit einem langen, biegsamen Zweig davon ab, zu weit vom Ufer abzutreiben. Als Roux nicht auftauchte, überließ ich Anouk ihrem Spiel, um zum Laden zurückzugehen, wo Joséphine dabei war, den Nachschub an Schokolade für diese Woche zuzubereiten.
    »Nimm dich vor den Krokodilen in acht«, sagte ich ihr mit ernster Miene.
    Anouk grinste mich an. Ihre Spielzeugtrompete in der einen und den langen Zweig in der anderen Hand, begann sie, laut Alarm zu blasen, während sie aufgeregt von einem Fuß auf den anderen hüpfte.
    »Krokodile! Die Krokodile greifen an!« krähte sie. »Macht die Kanonen klar!«
    »Vorsicht«, sagte ich. »Fall nicht ins Wasser.«
    Mit theatralischer Geste warf sie mir einen Kuß zu und konzentrierte sich wieder auf ihr Spiel. Als ich mich am oberen Ende der steilen Straße noch einmal umdrehte, war sie gerade dabei, die Krokodile mit Erdklumpen zu bombardieren, und ich konnte immer noch das dünne Schmettern ihrer Trompete und andere Schlachtgeräusche hören.
    Komisch, daß das plötzliche Aufwallen von zärtlichen Gefühlen mich immer wieder überrascht. Wenn ich angestrengt gegen die Abendsonne blinzele, kann ich die Krokodile fast ausmachen, die langen, weitaufgerissenen Mäuler im Wasser, das Aufblitzen der Kanonen. Wie sie so zwischen den Häusern herumläuft und das Rot und Gelb ihres Anoraks und ihrer Mütze immer wieder aus den Schatten auftauchen, kann ich beinahe die ganze Menagerie erkennen, die sie um sich versammelt hat. Als sie bemerkt, daß ich ihr zusehe, winkt sie mir zu, ruft: Ich hab dich lieb! und wendet sich wieder der ernsten Angelegenheit ihres Spiels zu.
    Am Nachmittag hatten wir geschlossen, und Joséphine und ich arbeiteten hart, um genug Pralinen und Trüffel für den Rest der Woche herzustellen. Ich habe bereits angefangen,die Osterleckereien herzustellen, und Joséphine hat gelernt, die Tierfiguren zu dekorieren und vorsichtig in Schachteln zu verpacken, die sie mit bunten Schleifen zubindet. Der Keller ist der ideale Lagerraum. Kühl, aber nicht so kalt, daß die Schokolade den weißen Film bekommt, der entsteht, wenn man sie im Kühlschrank aufbewahrt, dunkel und trocken. In Kartons verpackt, können wir alle unsere Waren hier lagern und haben dabei immer noch Platz für Küchenvorräte. Der Boden ist mit alten Feldsteinen gefliest, glatt und braun wie Eichenholz und an den Füßen angenehm kühl. Von der Decke baumelt eine nackte Glühbirne. Die Kellertür

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