Chocolat
besteht aus rohem Kiefernholz, mit einem Loch am unteren Rand für die längst verschwundene Katze. Selbst Anouk mag den Keller, der nach Gemäuer und altem Wein duftet, und sie hat mit bunter Kreide Figuren auf die Steine und die geweißten Wände gemalt; Tiere und Schlösser und Vögel und Sterne.
Heute morgen kamen Armande und Luc kurz nacheinander in den Laden, um ein bißchen zu plaudern, dann gingen sie gemeinsam fort. Sie treffen sich jetzt häufiger, nicht nur in meinem Laden. Luc hat mir erzählt, daß er Armande letzte Woche zweimal besucht und jedesmal eine Stunde in ihrem Garten gearbeitet hat.
»Die B-Beete müssen hergerichtet werden, jetzt, w-wo das Dach fertig ist«, erklärte er mir ernst. »Sie schafft die G-Gartenarbeit nicht mehr so wie f-früher, aber sie sagt, sie will dieses Jahr ein paar B-Blumen haben und nicht n-nur Unkraut.«
Gestern hat er eine Kiste mit Pflanzen aus Narcisse’ Gewächshaus mitgenommen und sie in die frisch umgegrabene Erde entlang Armandes Gartenmauer gepflanzt.
»L-Lavendel und Pfingstrosen und Tulpen und Osterglocken«, sagte er. »Am liebsten hat sie die bunten und die, d-die besonders schön duften. S-Sie sieht nicht mehr so gut, deswegen hab ich F-Flieder und Ginster und Stockrosen und s-solche Blumen genommen, die nicht zu übersehen sind.« Er lächelte schüchtern. »Ich m-möchte alles vor ihrem
Geburtstag f-fertig haben«, erklärte er.
Ich fragte ihn, wann Armandes Geburtstag sei.
»Am achtundzwanzigsten März«, sagte er. »Dann wird sie einundachtzig. Ich hab mir schon ein G-Geschenk überlegt.«
»So?«
Er nickte.
»Ich kaufe ihr einen seidenen Schlüpfer«, sagte er leicht verlegen. »S-Sie mag Unterwäsche.«
Ich bemühte mich, ein Lächeln zu unterdrücken, und sagte ihm, das sei eine gute Idee.
»Ich muß nach Agen fahren«, sagte er. »Und ich m-muß aufpassen, daß meine Mutter nichts merkt, s-sonst bekommt sie einen Anfall.« Plötzlich mußte er grinsen. »Vielleicht könnten wir eine Geburtstagsparty für sie organisieren, wwissen Sie, um ihren Eintritt ins n-nächste Jahrzehnt zu feiern.«
»Wir können sie ja mal fragen, was sie davon hält«, schlug ich vor.
Um vier kam Anouk müde und glücklich und von Kopf bis Fuß mit Schlamm bedeckt nach Hause, und Joséphine machte Zitronentee, während ich das Badewasser einließ. Ich befreite Anouk von ihren schmutzigen Kleidern und steckte sie in das warme, nach Honig duftende Wasser. Anschließend setzten wir uns gemeinsam an den Tisch und aßen pains au chocolat und brioche mit Himbeermarmelade und dicke, süße Aprikosen aus Narcisse’ Gewächshaus. Nachdenklich rollte Joséphine eine Aprikose in ihrer Handfläche hin und her.
»Ich muß immer wieder an diesen Mann denken«, sagte sie schließlich. »An den, der heute früh im Laden war, wissen Sie.«
»Roux.«
Sie nickte.
»Daß sein Boot abgebrannt ist –« sagte sie zögernd. »Sie glauben nicht, daß das ein Unfall war, nicht wahr?«
»Er glaubt es nicht. Er sagt, es habe nach Benzin gerochen.«
»Was denken Sie, würde er tun, wenn er herausfinden würde« – sie holte tief Luft –, »wer es getan hat?«
Ich zuckte die Achseln.
»Ich weiß es wirklich nicht. Warum fragen Sie, Joséphine? Können Sie sich vorstellen, wer das getan haben könnte?«
Hastig: »Nein. Aber wenn es jemand wüßte – und nicht sagen würde –« Sie unterbrach sich gequält. »Würde er … ich meine … was würde –«
Ich schaute sie an. Sie wich meinem Blick aus, rollte immer noch die Aprikose in ihrer Hand. In ihren Gedanken sah ich plötzlich Rauchwolken schimmern.
»Sie wissen, wer es war, nicht wahr?«
»Nein.«
»Hören Sie, Joséphine, wenn Sie etwas wissen –«
»Ich weiß überhaupt nichts«, sagte sie tonlos. »Ich wünschte, es wäre anders.«
»Ist schon gut. Niemand macht Ihnen einen Vorwurf«, sagte ich sanft.
»Ich weiß überhaupt nichts!« wiederholte sie mit schriller Stimme. »Wirklich nicht. Außerdem hat er doch gesagt, er würde von hier fortgehen, er ist nicht von hier, und er hätte nie herkommen sollen und –« Sie schnitt den Satz mit einem hörbaren Zähnezusammenbeißen ab.
»Ich hab ihn heute nachmittag gesehen«, sagte Anouk mit vollem Mund. »Er hat mir sein Haus gezeigt.«
Ich schaute sie neugierig an.
»Er hat mir dir gesprochen?«
Sie nickte eifrig.
»Na klar. Er hat gesagt, nächstesmal baut er mir ein Boot, ein richtiges aus Holz, eins, das nicht untergeht. Das heißt, wenn die
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