Cholerabrunnen
Die haben noch und sicher eine ganze Weile Probleme mit dem Grundwasser. Wie soll dann ein Tunnel halten? Er winkt ab.
„Die sind doch alle nicht ganz bei sich!“
Mauersberger tobt. Wieder verging eine Weile und er will sich nicht laufend mit der Tagespolitik beschäftigen, überlegt, wie er Weinert dazu bringen kann, ihn endlich wieder einzubeziehen. Denn ohne ihn, das wissen sie jetzt alle, bekommt er die Tresore nicht auf. Er hat einen. Der ist also noch zu. Er könnte ohne Aufsehen an die anderen heran. Doch das ist jetzt zweitrangig. Es geht um die Bauten. Er sah sich den Bebauungsplan an. Selbst einem Kommunisten wie Weinert muss es doch in den Augen wehtun, wenn er so ein Kuddelmuddel sieht. Die edle Kirche in der alten Form, hoch und gut zu sehen, dazu dann moderne Bauten bis fast an sie heran, dass man sie niemals ganz zu sehen bekommt… Stets soll ein Teil verdeckt sein.
„Das klingt alles wie diese Brückengeschichte. Ich will mich da ja nicht auch noch einmischen, aber das ist… und bleibt alles Schwachsinn. Da können Sie sagen, was Sie wollen, Weinert!“
Der Dicke erinnert sich an diese eine Vorführung. Es war nur wenige Wochen nach der Wiedervereinigung. Endlich durfte man auch in Dresden Firmen nach den neu geltenden bundesdeutschen Rechtsprechungen gründen. Und eine auf dem Gebiet der ehemaligen Flugzeugwerke in Klotzsche machte sich als neuer CAD-Dienstleister selbstständig. Wie es der Chef dort schaffte, ist nicht klar, interessiert den Dicken auch nicht. Doch er bekam einen Planungsauftrag für die Brücke. Interessante Sache. Es gab einen Architekten, der die Grundlagen lieferte, und sie hatten alles mit Fleisch, also das Drum herum zu schaffen. Und dann sah er sie… nicht viel anders wirkt sie, als die heutigen Planungen. Später erst gab es den Welterbetitel und in den damaligen Unterlagen waren wohl schon die Pläne für diese Brücke enthalten. Es gab keine Auflagen, unter denen man den Titel vergab. Alles schien im Lot, bis…
„Ich baue dort nicht. Ich liefere zwar, falls es wirklich losgehen sollte, dann einmal die… na ja… eben die entsprechende Technik und sicher werden dann ein paar Straßenabschnitte meine. Das ist mein Spezialgebiet. Sie wissen ja… Plätze, Löcher, Bergungen darunter… hahaha! Aber mehr muss ich gar nicht haben.“
Mauersberger schaut aus dem Fenster und nickt nur.
„Ja, wenn es Geld bringt… und wenn man dann auch aufbekommt, was man nicht haben sollte… oder?“
Weinert wird rot und trinkt das Wasser, welches er wegen eines Sodbrennens, das einfach nicht weggehen will, lieber nahm, als den Scotch, der bei Mauersberger stets nach Macht und Geld schmeckt. Nun ja, der Mann ist schon wer. Alt vor allem, aber auch… ein Macher. Er sprang nur auf den Zug auf. Doch warum soll der Zweite nicht auch einmal der Erste sein?
Im Lingnerschloss ist heute großer Empfang. Die halbe Welt kam nach Dresden, um der Gesellschaft, die immer noch verbissen um den Weltkulturerbetitel kämpft, beizustehen. Niemand kann und will die anstehende Entscheidung der UNESCO wirklich verstehen. Das ist alles Humbug, sagte gar einer der Akteure, als es darum ging, dass der Oberbürgermeister und der Ministerpräsident gemeinsam zu den Entscheidern fahren und ihnen die Standpunkte noch einmal darlegen.
Der alte Mann, der die Gesellschaft leitet und gebeugt in einer Ecke des großen, wieder hergerichteten Saales des ehrwürdigen Odol-König-Schlosses steht und besorgt sieht, wie viele auf den noch nicht ganz statisch sauber instand gesetzten Boden des Raumes treten, könnte Lieder singen zu all den Redereien, die er sich in den letzten Wochen anhören und gefallen lassen musste. Natürlich mochte er diese Brückengeschichte von Anfang an nicht. Wie auch? Er ahnte, man würde ihm einen Strick daraus drehen… vor allem dem Titel. Als er dann noch einen Mitarbeiter seines innersten Kreises dabei ertappte, wie er vertrauliche Informationen an die UNESCO schicken wollte, ging ihm der Hut dermaßen hoch, dass der Verräter nun noch mit einer gebrochenen Nase im Krankenhaus liegt. Zum Glück hat er gute Freunde. Die Polizei führte nur eine Befragung durch und da der Geschlagene, der ja eigentlich der Bösewicht in diesem dummen Spiel war, von einer persönlich verfassten Anzeige absah, gar in Aussicht stellte, sich mit ihm auszusöhnen und vor allem auszusprechen, konnte man auch vonseiten der Polizei und der Staatsanwaltschaft nichts gegen den alten Haudegen und
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