Cholerabrunnen
Prügler unternehmen. Das sagte man ihm auch unverhohlen. Er stünde von nun an immer in der Gunst dieses einen Mannes, dem er Verrat vorwarf. Sollte der es sich in absehbarer Zeit anders überlegen, kann man immer noch die Rechtsmaschine in Gang setzen.
Er grinst heute einmal nicht, wenn er nur daran denkt. Das ist alles… zu schwer für ihn. Dann trinkt er gierig sein Wasser und schaut wieder in den Spiegel ihm gegenüber. Noch ein wichtiger Politiker, der sich auf seine Kosten profilieren will, kommt eben herein und wird zu ihm geführt. Was soll er ihm sagen? Nichts… er kann nichts sagen. Das ist eben ein Trauerspiel und er steckt voll darinnen… die ganze Stadt. Hin und her gerissen fühlt er sich, aber… na ja, er ist eben… hier und erfüllt seine Aufgabe. Auch wenn er damit zum Totengräber des von ihm so sehr geschätzten und vertretenen Titels wird. Er flucht eben noch einmal und setzt sein bestes Lächeln auf, geht auf den steif in einem Anzug steckenden Mann zu, dem man ansieht, dass seine Berater ihn hierher schickten und er sich bei diesem schönen Wetter lieber um ganz andere Dinge hier oder bei sich zuhause kümmern würde.
„Sagen Sie, Lehmann, stimmt es eigentlich, das die Polizei in Ihrer Landeshauptstadt derzeit eine dermaßen schlechte Aufklärungsquote hat, wie selten vorher? Das ist ja kaum zum Aushalten, oder?“
Der alte Mann, der sich mit einem Enthusiasmus für den Erhalt und vor allem auch die Vermarktung dieses Titels einsetzte und der nun alle Felle davonschwimmen sieht, ohne dass er sich einer wirklichen Schuld bewusst sein kann, schaut betreten in die Runde. Er hat doch davon keine Ahnung. Zum Glück sieht er Behringer, den er als einen der Kommissare bei der Kriminalpolizei kennt. Letztens erst war der doch bei ihm… in Begleitung des Polizeipräsidenten. Muss also ein Mann sein, der Ahnung hat, der sich auskennt. Er grinst und verweist höflich auf eben diesen Herrn.
Behringer fühlt sich natürlich überfahren.
„Ja, also, ich habe darüber nicht den vollständigen Überblick. Aber ich kann Ihnen aus meinem Resort sagen, dass wir einiges verbessern müssen, wenn wir wieder mit anderen Ländern mithalten wollen. Und, ich hoffe mal, das ist kein Freibrief für alle, die sich im Verbrechen zuhause fühlen. Es ist einfach nur ein Hinweis. Wir kommen nicht nach. So, wie es manchmal nur Kleinigkeiten benötigt, um einen Titel zu erhalten oder in Gefahr zu bringen, so kann es auch sein, das Kleinigkeiten dazu führen, dass man eben einen Fall nicht aufklärt. Immer vorausgesetzt, von der gesetzgebenden Stelle wurde alles getan, um die Polizei dazu zu befähigen. Aber, und das ist auch in allen Ländern so und musste in Deutschland früher oder später genauso ankommen, hier fehlen eben Menschen, Ermittler, Polizisten, die einfach einmal durch die Stadt laufen, damit zeigen, dass das Gesetz geschützt wird, dass Menschen sich um Menschen kümmern. Und so haben wir das alte Dilemma… zum Schluss zahlt der Bürger für eine Einsparung doppelt. Denn sein Recht kann nicht durchgesetzt werden und seine Sicherheit geht irgendwann den Bach herunter.“
Er schaut sich um. Einige blieben stehen, schauten auf die beiden Sprechenden. Und Behringer, ganz gegen seine übliche Art, wurde sogar lauter, als sonst üblich. So konnte jeder verstehen, was er sagte. Das gefiel wahrlich nicht jedem.
„Na, na, Behringer, nun mal langsam, ja?“
Der Oberbürgermeister, der gerade nicht aus den negativen Schlagzeilen herauskommt, weil er sich einige Fehler leistete und nun nicht einmal wirklich dazu steht, schaut ihn finster an.
„Solche Dinge sind Interna. Die gehören…“
Lehmann beschwichtigt und der Gast aus Berlin sagt leise etwas zu ihm. Dann muss er Behringer noch einmal richtig vorstellen. Man tauscht Visitenkarten. Das finstere Lächeln des Politikers, der seine grüne Gesinnung gern dem Volk mitteilt, ist dabei unübersehbar.
„Sie werden jetzt lachen… oder auch geschockt sein, werte Anwesende, aber ich muss einfach nach den Erfahrungen der letzten Stunden ganz klar feststellen, dass ich keinen Grund dafür sehe, diesen Titel für Dresden zu verteidigen. Einmal ganz davon abgesehen, ob es eine Möglichkeit der Verteidigung überhaupt gäbe. Die Politik kann und darf hier nicht gefragt sein, denn die UNESCO arbeitet nicht allein auf politischer Ebene, eigentlich sogar gegen sie oder zumindest neben ihr. Wem bringt es denn auch nur einen politischen Plus- oder Minuspunkt, wenn
Weitere Kostenlose Bücher