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Cholerabrunnen

Cholerabrunnen

Titel: Cholerabrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Jahnke
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ein Ort, eine Stätte, ein Gebiet, ein Gebäude, vielleicht auch eine bestimmte Sammlung von alledem zum Weltkulturerbe erklärt wird? Ist es nicht eher so, dass man ja gerade uns Politikern vorwirft, wir würden wenig, gar immer weniger für die Kultur tun? Nun, ich möchte nicht in diese Kerbe schlagen und es liegt mir fern, vielleicht auch noch den Eindruck zu erwecken, nun stellt sich Berlin gar gegen diesen Titel und damit gegen eine ganze Region. Sie werden jedoch bemerken, und da bin ich mir sicher, dass es gar keinen so großen Verlust darstellt, den Titel zu verlieren. Eher werden die Tourismusströme vielleicht gerade darum anwachsen und diese Stadt mehrfach überrennen. Jeder, der schon hier war und sich im Geheimen für diesen Titel aussprach, der wird nun wissen wollen, warum man ihn wieder wegnahm. Und die Akzeptanz des Gesamtsystems wird eine mögliche Aberkennung ebenso wenig infrage stellen. Doch eines kann und darf ich nicht versäumen, hier als besonders wichtig darzustellen: Wenn wir unsere Augen vor wirklichen Problemen unserer Zeit und unseres Landes verschließen, hilft uns erst recht kein solcher Titel, um die Folgeschäden dieser Vernachlässigung zu verkraften. Nicht umsonst…“
    Der Vertreter der Regierung schaut in die Runde und mustert Behringer, als müsste er ihn für eine Auktion schätzen.
    „…unterhielt ich mich mit einem Polizisten. Und Sicherheit, liebe Gäste, ist weitaus mehr wert, als solch ein Titel. Ich werde daher keinerlei Empfehlungen in Berlin aussprechen, sich in all dies einzumischen und einzubringen. Das bleibt Sache der Stadt. Und wenn der Freistaat hinter Dresden steht, auch Sache des Landes. Aber nicht des Bundes. Vielen Dank!“
    Gebrochen und schwer setzt sich Lehmann auf einen alten Stuhl, den er im Müll hier im Schloss fand und in einer Behindertenwerkstatt vor den Toren Dresdens herrichten ließ. Das war der Todesstoß. Ganz sicher haben sie nun noch weniger Chancen, wenn sie in zwei Wochen zur UNESCO fahren und dort noch einmal für die Akzeptanz des hiesigen Standpunktes werben wollen. Er sollte sich langsam nach einer neuen Nutzungsvariante des Schlosses umsehen. Die Mittel versiegen. So etwas geht schnell. Er weiß es.

Kapitel 4 – Vertuschung der Vergangenheit
     
    Die Flut vor drei Jahren legte seine Wasserversorgung lahm. Niemand wollte bisher Geld für eine Wiederherstellung in die Hand nehmen und auch er hütete sich, hierfür zu spenden oder gar einen Fonds einzurichten, in dem er seine eigenen Einnahmen steuerfrei hätte verbergen können. Nein, noch hat er es nicht nötig, sich zu verstecken, zu unlauteren Mitteln zu greifen. Ja, natürlich steht man als Unternehmer stets mit einem Bein im Gefängnis, hat seine liebe Not mit dem Rechtssystem, aber…
     
    Mauersberger schluckt und schaut auf die Schilder, die Besucher der Stadt um Entschuldigung für nicht fließendes Wasser am Brunnen bitten sollen. Ob sich jemand überhaupt die Mühe macht, sie zu lesen? Sind sie nicht eher kleinlich? Er schüttelt den Kopf, als er eine Gruppe Touristen, vermutlich aus Japan, denn sie knipsen wild in die Umgebung, als er diese Gruppe sieht und von Weitem hört, wie deren Guide auf Englisch den Brunnen und seinen Ursprung, den Sinn hinter alledem erklärt. Auch ohne Wasser. Sie kommen nicht herüber von der Schinkelwache. Weder, um sich die Auslagen des Juweliers im Taschenbergpalais anzuschauen, noch um den Brunnen von Nahem zu sehen. Er steht einsam und doch inmitten eines Geschehens, geht darin fast unter. So nützt er sicher niemandem.
    Bauer tritt herzu und schaut ihm ins Gesicht.
    „Noch nichts?“
    Er schüttelt den Kopf.
    „Weinert wollte mich überreden, an uns allen vorbei mitzumachen, aber ich lehnte natürlich ab.“
    Mauersberger nickt nur und grüßt Schnittge, der aus einem Taxi steigt. Der Kerl läuft nicht mehr gern. Trotzdem werden sie von hier aus den üblichen Weg hinüber zum Hotel nehmen, das nun schon lange nicht mehr ‚Dresdner Hof’, sondern ‚Dresden Hilton’ heißt und an diese altbekannte Gruppe angeschlossen wurde. Das Essen schmeckt immer noch, der Komfort veränderte sich noch etwas zum Besseren, man kann stolz sein, solch ein Haus in der Stadt zu haben.
    Der grau melierte Herr gab nun endlich alle Zügel in seiner Druckerei ab. Er ist alt und will sich lieber ein wenig Ruhe gönnen. Natürlich wurmt es ihn, wenn er hört, dass man wieder einmal zu teuer einkaufte, der Weltmarktpreis des Papiers eher klettert und nun auch

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