Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cholerabrunnen

Cholerabrunnen

Titel: Cholerabrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Jahnke
Vom Netzwerk:
Lippen.
    „Sie wissen ziemlich genau, Mauersberger, dass mich so was nur noch verdächtiger machen würde. Also, lassen Sie das mal hübsch meine Sorge sein, ja?“
    Der Gerügte zuckt zurück. Dermaßen aufgebracht erlebte er den dicken Bauunternehmer noch nicht. Kein gutes Zeichen. Der verliert vielleicht die Kontrolle… über sich und auch noch über alles, was sie gemeinsam aufbauen… wollten. Zum Glück hängen sie nicht wirklich fest zusammen.
    „Das werden wir ändern, Mauersberger. Verstanden? Ich will, dass ich künftig bei allen Beratungen dabei bin. Und sollten Sie auch nur einmal versuchen, mich auszubooten, bin ich der Erste, der den Plan an die Behörden gibt. Verstehen Sie?“
    Nun schluckt der Druckereibesitzer. Das kann und will er gar nicht allein entscheiden. Der da soll nur ruhig versuchen, ihm Vorschriften zu machen. Was nicht geht, geht eben nicht. Und so…
    „Ich werde es besprechen. Aber ich glaube nicht, dass irgendwer dafür ist… mal von Ihnen abgesehen, Weinert!“
    Der zuckt zusammen. Gegenrede, obwohl er deutlich sagte, was in solch einem Falle geschieht? Oha… na ja, vielleicht sollte er einmal ein Exempel statuieren… wie auch immer er das anstellen wollte.
    „Denken Sie nicht einmal dran, Weinert! Ich weiß, dass Sie etwas ganz Anderes suchen. Und das wäre dann auch verloren. Dafür… verlassen Sie sich drauf, dafür sorge ich mit Sicherheit!“
     
    Lange sitzt Weinert in seinem Büro. Er hält einen ganz schwachen Druck der Fotothek in der Hand. Es handelt sich um ein loses Blatt aus einem angeblich einmal gebundenen Werk. Darin geht es handschriftlich um irgendwelche Aufstellungen infolge der Angriffe am 13. und 14. Februar 1945 auf Dresden. Die Stadtverwaltung und die Gauleitung waren da immer sehr genau. Warum man dies alles aufschrieb, ist nicht bekannt. Wohin die weiteren Seiten kamen, auch nicht. So, wie die Rissbahn aussieht… soweit man so etwas anhand einer Kopie beurteilen kann… riss wirklich jemand diese Seite heraus und ließ sie… später in einem anderen Buch liegen, in dem es ebenfalls, aber nicht dermaßen detailliert, um den Angriff ging.
    Er nimmt die Lupe. Verschiedene Lichtarten brachten die Buchstaben wieder zum Vorschein. Nein, nicht die der Seite, sondern die, die der Verfasser auf jene Blätter vorher schrieb.
    Man stellte einiges zusammen. Die Toten, die Verletzten, die Flüchtlinge, die eigenen Bürger, die Tiere, von denen man Kenntnis hatte. Zusätzlich Schäden an Fabrikanlagen. Und da steht auch eine Zahl… überdimensional für einen Bombenangriff auf Gebäude. Allein an den Elbwiesen sollen Tausende umgekommen sein. Stimmt das?
    Er holt tief Luft, macht sich Notizen.
    Ja, wer sollte denn damals schon etwas fälschen? Welchen Grund gäbe es? Gleich greift Weinert nach den Durchführungsbestimmungen des Gauleiters, die auch nur in einer gewissen Anlehnung an die letzten Gesetze und Weisungen aus dem Führerbunker in Berlin aufgesetzt wurden. Man solle alles erfassen. Später gebe es dann eine gewisse Entschädigung. Natürlich nach einem angeblichen Endsieg.
    Warum, fragt sich Weinert, hielt sich das Gerücht der Tiefflieger über den Elbwiesen auch noch in der DDR? Es handelte sich doch um Alliierte, denen man diese Gräueltaten zur Last legen wollte. Man tat es nicht einmal, man ließ die Gerüchte einfach weiter köcheln.
    So viele Schüsse… zu viele. Tote über Tote. Tagelang brannten die Feuer auf dem Altmarkt, aber auch an anderen, einigermaßen nutzbaren Plätzen. Man verbrannte die Toten und machte nur Striche. Nun wirft man den damaligen Erfassern gar vor, sie taten dies doppelt und dreifach. Die Zahlen könnten einfach nicht mit den wenigen Mengen an Asche übereinstimmen, die man dann angeblich abwog. Warum sollte man das tun? Und getreu einiger Überlieferungen behaupten Überlebende und deren Nachkommen, von ihren Vätern oder Müttern erfahren zu haben, dass nebenbei zu den Bestattungen der verbrannten Reste auch noch Unmengen nach indischer Tradition in die Elbe gekippt worden seien. Wenn er das nun mit den Berichten über die Waschungen wegen fehlender Wasseranschlüsse und verschütteter Brunnen weiter im Elbeverlauf vergleicht, könnte er sich sofort übergeben. Nein, er hält stand. Gerade so… und er packt den Zettel in die Tasche, geht noch einmal zu seinem ärgsten Feind… na ja, eigentlich ist er kein Feind, nur ein Federfuchser, der sich von nichts beirren lässt. Verdammt noch eines… der ist wirklich

Weitere Kostenlose Bücher