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Choral des Todes

Titel: Choral des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Reinheit der Werkzeuge, die die mordenden Kinder benutzten. Das Messer war alt, aber höchstwahrscheinlich weder rostig noch schmutzig. Jede Gewalttat stand im Einklang mit der bizarren Weltanschauung von Hans-Werner Hartmann. Wie sollte er das dem Arzt beibringen?
    Dieser wandte sich an die Krankenschwestern:
    »Okay. Tetanus-Impfung. Sedierung, dann Narkose. Wir gehen in den OP .«
    Beklommen beobachtete Kasdan die Handgriffe vor seinen Augen. Erinnerungsfetzen jagten durch sein Gehirn. Er dachte an seine Frau, an die Adern auf ihrem nackten Schädel, ihre Stimme, die durch das Halbdunkel ihres Sterbezimmers schwebte. An seinen Sohn, als er ihn im Alter von drei Jahren mit Symptomen einer Hirnhautentzündung in die Notaufnahme gebracht hatte. An sich selbst, der so oft wie ein Gefangener in der Notaufnahme von Sainte-Anne gelandet war, wo man ihm seine Waffe, seinen Gürtel, seine Schnürsenkel weggenommen hatte, damit er keine »Dummheiten« mache. Die Psyche, in Polizeigewahrsam genommen.
    »Wird schon werden.«
    »Wie bitte?«
    Der Arzt stand vor ihm. Das Licht der Operationslampe war von erbarmungsloser Helligkeit. Tausende gläserner Facetten, das riesige Auge einer weißen Fliege.
    »Wird schon wieder«, wiederholte der Notarzt. »Die Klinge ist in die Muskeln eingedrungen. Keine wichtige Zone ist betroffen. Aber wir müssen die abgebrochene Spitze entfernen. Er hat ziemlich viel Blut verloren. Was für eine Blutgruppe haben Sie?«
    »A+.«
    »Wir werden Ihnen ein paar Milliliter abzapfen. Ihr Kollege braucht sie dringend.«
    »Kein Problem.«
    Kasdan zog seine Drillichjacke aus und setzte sich in eine Ecke des Zimmers, während eine Krankenschwester seinen Ärmel hochstreifte. Der Assistenzarzt nahm ein weiteres Mal den Körper des jungen Polizisten in Augenschein und kam dann zurück zu dem Armenier:
    »Was können Sie mir noch über den Angriff sagen?«
    Kasdan antwortete nicht sofort und betrachtete sein Blut, das durch die Kanüle floss. Dunkel, schwer, beunruhigend. Mein Leben macht sich aus dem Staub , dachte er, ehe er zu dem Arzt aufblickte:
    »Alles ging sehr schnell. Wir waren dienstlich in Gennevilliers unterwegs.«
    »Mitten in der Nacht?«
    »Sind Sie von der Dienstaufsicht oder was?«
    »Ich muss einen Bericht anfertigen.«
    Die Krankenschwester nahm ihre Utensilien mit. Kasdan winkelte den Arm an. Dieser Arzt begann ihm auf die Nerven zu gehen.
    »Machen Sie, was Sie wollen«, sagte der Armenier, »aber entfernen Sie diese Klinge aus seinem Bein!«
    »Seien Sie nicht so aggressiv. Ich brauche Ihre Namen und Ihre Kennnummern.«
    »Werden Sie ihn jetzt operieren oder was?«
    »In einigen Minuten. In der Zwischenzeit hätte ich gern Ihre Version der Geschichte gehört. Wir verfassen gemeinsam den …«
    »Kasdan.«
    Volokine hatte, die Augen zur Decke gerichtet, seinen Namen ausgesprochen. Der Armenier stand auf und fragte den Assistenzarzt ruhiger:
    »Könnten Sie uns eine Minute allein lassen?«
    Der Notarzt seufzte und gab den Krankenschwestern ein Zeichen:
    »Eine Minute, dann geht’s in den OP .«
    Kasdan machte einen Schritt, doch der Arzt hielt ihn am Arm zurück und senkte die Stimme:
    »Sagen Sie, Ihr Kollege …«
    »Was ist?«
    »Der ist total mit Drogen vollgepumpt, wissen Sie das?«
    »Er hat aufgehört.«
    »Das muss dann ganz neu sein, denn die Einstichstellen, die …«
    Er machte eine Handbewegung, als wolle er sagen: »Mein lieber Scholli.«
    »Ich sag Ihnen doch, dass er aufgehört hat, kapiert?«
    Der Arzt trat einen Schritt zurück und musterte Kasdan in seiner ganzen Pracht. Grau, durchnässt, feuchter Schal um den Hals. Der Assistenzarzt lächelte fassungslos. Dann verließ er den Raum, gefolgt von den Krankenschwestern.
    Kasdan näherte sich Volokine. Ihm war heiß, er hatte Angst und empfand ein zunehmendes Unwohlsein. Als wäre die Unordnung, die in dem Raum herrschte, in sein Blut übergegangen und hätte in seinen Zellen ein Chaos angerichtet.
    Er setzte eine heitere Miene auf:
    »Die werden dir mein Blut übertragen, Junge.« Er drückte Volo die Schulter. »Einen großen Humpen armenisches Blut. Das wird dich wieder auf die Beine bringen.«
    Volokine lächelte. Ein mattes, unverstelltes Lächeln.
    »Die Kinder … Sie haben mit uns gespielt, verstehen Sie?«
    »Du hast es mir schon gesagt. Bleib ganz ruhig.«
    »Derjenige, der mich verletzt hat, hat mir ein Wort gesagt. Ich glaube, es war Deutsch … gefangen oder gefenden . Finden Sie heraus, was das bedeutet

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