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Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Titel: Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane V. Felscherinow , Sonja Vukovic
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meinem Ersparten bedient. Wie bei seinen anderen Opfern hatte er bei Online-Händlern seine Hehlerware bestellt. Für allerlei Technikkrams waren 30.000   Euro abgebucht worden. Ich nahm mir nun einen Anwalt, den Partner des Rechtsbeistandes eines engen Freundes – der vertrat mich fortan gegenüber dem Jugendamt, aber auch in der Strafsache gegen Beckermann. Natürlich erstattete ich Anzeige. Doch all das hat mich nur noch mehr Geld gekostet.
    Ich verstehe einfach nicht, weshalb der Mann für seine Straftat nicht belangt wird. Mein Anwalt hat immerhin stoppen können, dass ich weitere Rechnungen bekam. Aber die 30.000   Euro wurden mir nie erstattet. Manche Menschen dürfen einfach, was andere Menschen nicht dürfen. Das musste ich in meinem 51-jährigen Leben leider lernen.
    Beckermann glaubt, ich sei ausgesprochen dumm. Als er in mein Leben trat, hatte ich nur zu viele Sorgen, um ihn zu durchschauen. Und nachdem er mir das alles angetan hat, erdreistete er sich im Dezember 2008 auch noch, mir einen Brief aus dem Gefängnis zu schicken.
    Dabei war er nun der Dumme, denn er schrieb mir tatsächlich ein Geständnis, ohne es zu merken: „Man hat mich erwischt. Seit vier Wochen bin ich wieder im Knast, sitze in Wuppertal“, fängt der Brief an. „Da ich weiß, dass du nicht nachtragend bist, hoffe ich, dass du mir meine Fehler verziehen hast“, geht es weiter. Und dann: „… vor allem meine finanziellen Fehltritte.“
    Das war der einzige Grund, weshalb mein Anwalt erreichen konnte, dass man mich zumindest nicht mehr mit weiteren Rechnungen belasten durfte. Gebüßt hat Beckermann für seinen Betrug aber nicht, er saß wegen einer anderen Straftat – und versuchte nun doch tatsächlich, mich wieder weichzuklopfen. Aber der Mann hat mein Leben ruiniert. Und er sollte froh sein: Ignorieren ist das Netteste, was ich ihm antun kann!
    Aber das kann er natürlich nicht ertragen. Im Frühjahr darauf schrieb er mir wieder, doch ich habe nie geantwortet. Der Mann ist für mich gestorben. Er hatte auch noch die Frechheit, einem anderen Insassen meine Adresse zu geben. Der hat mir dann auch noch geschrieben, weil er angeblich ein so großer Fan von mir sei.
    Nach und nach habe ich durch Recherchen meines Anwalts all die Dinge aufdecken können – wer Beckermann war, wie er tickte und was er alles gemacht hatte.
    Leider wurde auch Anna Opfer seiner Lügen. Er hatte sie einmal angerufen und ihr erzählt, dass es mir gesundheitlich so schlecht gehe. Dass er an meiner statt anrufen und um Geld bitten müsse. Anna erzählte es mir später, als sie mit mir Kontakt aufnahm, nachdem sie in der Zeitung gelesen hatte, was passiert war.
    Ich habe mich damals aber nur bei ihr ausgeweint und nicht danach gefragt, wie viel sie dem Gauner geschickt hat. Auch wie es ihr ging, wollte ich nicht wissen. Ich hatte wieder einmal nur an mich und meine Probleme gedacht. Doch das wurde mir erst schmerzlich bewusst, als Anna anderthalb Jahre später an ihrer schweren Krankheit starb.

Meine Schatten
    8

N iemand glaubt mir, und ich kann sogar verstehen wieso. Hätte mir jemand so etwas vor 20, 30   Jahren erzählt, ich hätte diese Geschichten abgetan als den verzweifelten Versuch, Aufmerksamkeit zu bekommen. So wie es Kinder aus problematischen Elternhäusern machen, wenn sie Zuwendung brauchen. Heutzutage weiß doch jeder Hobbypsychologe, dass die Kinder in der Klasse, die das größte Maul haben und sich die wildesten Lügengeschichten ausdenken, letztlich eine Umarmung suchen und jemanden, der sich wirklich dafür interessiert, was in ihnen vorgeht. Die meisten Lehrer verstehen das leider nicht.
    Es gibt auch Erwachsene, die sich die wildesten Geschichten ausdenken und ständig erzählen, was sie alles durchstehen müssen und welchen Anfeindungen sie ausgesetzt sind. Als wäre die Welt nur damit beschäftigt, ihnen Ärger zu machen. Diese Leute nehmen sich aber nur selbst so wichtig, weil es sonst niemand tut.
    Sie tun mir leid, denn sie sind meist sehr einsam, und ich kümmere mich um sie, höre ihnen zu, weil ich selbst nur zu gut weiß, wie es sich anfühlt, wenn man sich jemandem anvertraut und zurückgewiesen wird. Ein offenes Ohr ist manchmal viel mehr wert als jedes Geld der Welt.
    Mir fehlt es weder an Geld noch an Aufmerksamkeit. Aber ich habe viele Freunde verloren, weil sie mich für verrückt halten, seit ich ihnen von meinen Problemen erzählt habe.
    Und das ist das Schlimmste: Dass ich nun dieses Stigma trage – nicht nur

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