Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)
das des Promi-Junkies, sondern jetzt auch das der Verrückten. Manchmal weine ich und kann tagelang nicht mehr aufhören, weil es so wehtut.
Wer mir nicht glauben will, soll mich bitte wenigstens in Ruhe lassen. In den Zeitungen stand für alle Welt lesbar, ich leide unter Wahnvorstellungen. Man darf mir glauben: Es gab sehr viele Tage, an denen ich hoffte, dass das stimmt, dass all das nur in meiner Fantasie geschieht. Dass ein Arzt mir helfen könne oder ein Medikament.
Vielleicht ist es auch so, vielleicht komme ich nur mit meiner Prominenz nicht klar. Ich weiß es nicht. Aber was es auch ist, für mich ist es real – und ich wünsche niemandem, nicht einmal meinem schlimmsten Feind, dass er sich so fühlen muss wie ich. Seit mehr als 25 Jahren leide ich darunter.
Während meiner Haftstrafe in der JVA Plötzensee hatte ich gelernt, festzustellen, ob jemand während meiner Abwesenheit in meiner Zelle war. Die Wärterinnen filzten jeden Tag drei x-beliebige Hütten, an manchen Tagen waren alle dran. Wir nannten unsere Zellen Hütten: „Geh mal auf Hütte“, hieß es abends immer, wenn Einschluss war. Die Durchsuchungen fanden natürlich nicht vor den Augen der Knackis statt, sondern tagsüber, wenn wir bei der Arbeit waren. Solche Kontrollen wurden nicht wirklich verheimlicht, wir wussten ja, dass es sie gab. Aber wir sollten nicht sehen, wie und wo sie suchten, damit wir uns darauf nicht einstellen konnten.
Ich habe immer bemerkt, wenn zum Beispiel meine Packung Tabak nicht wieder so verschlossen war, wie ich es tat: Ich habe damals den lästigen Klebestreifen, der sowieso nie hält, meistens abgerissen und das obere Ende in die Packung gesteckt wie bei einem Briefumschlag. Dann faltete ich alles noch einmal und legte die Packung immer mit der dünneren Seite nach unten.
Meine Zahnpastatube quetsche ich bis heute immer nach oben hin komplett durch. Manchmal steckte sie damals aber im Zahnputzbecher und war nicht durchgequetscht. Und auch bei meinen Klamotten fiel mir jede Falte sofort auf, die es vorher nicht gab. Denn schon vor Phillips Geburt hatte ich einen Fimmel für ordentlich gefaltete Klamotten, weil ich einfach noch nie gern gebügelt habe.
Außerdem lagen die Sachen alle offen in einem Regal aus Sperrholz in Buche-Optik, da sah man jede Kleinigkeit. Alles war aus Buche-Optik, auch das Bett und eine Latte, die sie an die Wand gehämmert hatten, damit du deine Poster daranpinnen kannst.
Manchmal haben die Wärter auch Fußabdrücke hinterlassen. Der Boden in der Anstalt war aus schwarzem Gussbeton. Da sah man den Dreck leicht, den man mit Schuhen von draußen hereinbrachte, vor allem, wenn Sonnenstrahlen durch das Fenster fielen.
Im Verheimlichen und Verstecken konnte uns keiner was vormachen, das stellte uns manchmal selbst vor Probleme. Einmal hatte ich Miriam aus Hamburg telefonisch gebeten, mir ein bisschen Hasch zukommen zu lassen. Als dann ein, zwei Wochen später endlich ihr Paket kam, bin ich fast Amok gelaufen, weil ich das Zeug nicht finden konnte. Ich dachte schon, sie hätte es sich nicht getraut, denn immerhin wird in solchen Fällen der Absender belangt.
Aber ich suchte und suchte und packte zusammen mit Liane Mayer jeden Zipfel Papier aus, wir rissen jede Packung bis in die letzte Ecke auseinander. Miriam hatte mir Toffifee, Kaugummi und Earl-Grey-Tee, eine Stange Marlboro und Slipeinlagen in das Paket gepackt. Erst als wir das letzte Päckchen Marlboro geöffnet und jede Zigarette einzeln herausgenommen und begutachtet hatten, fanden wir endlich mein Hasch: Miriam hatte vier Zigaretten am unteren Ende abgeschnitten und den Tabak durch Haschisch ersetzt, einen Quadratzentimeter groß vielleicht.
Damit wäre ich sonst allenfalls eine Woche ausgekommen. Aber im Knast kannst du das Zeug ja nicht rauchen, wie du lustig bist, also reichte es zwei Monate lang für Liane und mich – so war es dann auch etwas Besonderes, wenn wir das Hasch rauchten, etwas, worauf man sich freuen konnte.
Und es hat einfach auch einen Mordsspaß gemacht, klüger zu sein als die Wärter, einfallsreich zu werden, damit das ja keinem auffiel, dass wir Drogen nahmen. Haschisch ist ein Produkt der Cannabispflanze, die getrockneten Blätter werden Marihuana oder Gras genannt und wie Tabak geraucht, Hasch wird aus dem Harz der Pflanze extrahiert und zu Öl verarbeitet oder zu Blöcken gepresst, man nennt es auch Shit oder Piece.
Man krümelt es sich eigentlich in den Joint rein oder raucht es in einer Bong.
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