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Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Titel: Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane V. Felscherinow , Sonja Vukovic
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Das wäre aber beides im Gefängnis viel zu auffällig gewesen, wir haben das deshalb durch einen Kugelschreiber geraucht. Wir legten ein Stückchen des Piece in die Glut von unseren angezündeten Zigaretten und benutzten einen Kugelschreiber ohne Mine zum Inhalieren.
    Unseren Vorrat versteckte ich nicht in meiner Zelle, das wäre sofort aufgeflogen. Ich trug das Zeug aber auch nicht an mir, sondern platzierte es in einem Fensterrahmen. 1986, als ich in Plötzensee einsaß, waren da noch viele Flure gar nicht belegt. Der Knast war gerade erst gebaut worden, aber auch die leeren Teile mussten hin und wieder gesäubert werden.
    Alle zwei Wochen schrubbte ich da zusammen mit dem zweiten Hausmädchen, das es inzwischen neben mir gab, die Flure und befreite das unbenutzte Buche-Optik-Zellenmobiliar vom Staub. Die Wärter standen dabei nicht neben uns, sondern schlossen uns in diesen Stationen einfach ein, solange wir putzten. So konnte ich in Ruhe mein Dope dort verstecken.
    Wir durften immer ein kleines Radio mitnehmen, das drehte ich auf, und sobald meine Kollegin einmal nicht guckte, öffnete ich ein Fenster, klemmte mein kleines Tütchen Hasch unter eine Gummidichtung und schloss das Fenster wieder.
    Ich bin kein gieriger Mensch, Gier kann ich nicht leiden. Aber Sicherheit ist mir wichtig, auch die, dass ich irgendwo etwas Dope gebunkert habe. Dann geht es mir gleich besser. Ich raste zwar nicht gleich aus, wenn ich mal nicht rauchen kann, nicht mal bei Zigaretten. Ich kann gut warten. Aber ich musste wissen, dass es was gibt.
    Mal abgesehen von den Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz habe ich mir in meinem ganzen Leben aber nie groß etwas zu Schulden kommen lassen. Okay, als Kind habe ich mal einen „Mr.   Tom“ geklaut, einen Erdnussriegel. Ich hatte Hunger, aber das Geld, das ich für die Pfandflaschenrückgabe bekommen hatte, reichte einfach nicht, damit ich mir kaufen konnte, was ich wollte. Es waren etwa zwei Mark, und ich musste die auch noch mit meiner Schwester teilen. Ich konnte mich einfach nicht entscheiden, ob ich mir eine Schrippe oder etwas Süßes kaufen sollte. Also klaute ich den Mr.-Tom-Riegel, bin dabei aber offenbar so eingeschüchtert vor Angst rumgeschlichen, dass man mich bemerkte.
    Heute esse ich solche Riegel nicht mehr, weil ich mich dann immer noch so schäme wie damals. Und es ist bis heute noch so, dass man mir einfach ansieht, wenn ich etwas verheimliche oder wenn ich lüge. Meine Angst, erwischt zu werden und Ärger zu bekommen, wird dann einfach so groß, dass ich eine ganz andere Mimik habe und mich ganz anders verhalte und ausdrücke als sonst. Man merkt das immer sofort, wenn ich ein schlechtes Gewissen habe.
    Aber ich bin ja auch keine Schwerkriminelle. Ich deale nicht – wozu auch? Ich habe Geld. Warum sollte ich da Drogen verticken? Für den Kick? Nee, in meinem Leben gibt es Aufregung genug! Da brauche ich keine Hehlerei und erst recht keine Politik.
    Ich bin keine Terroristin, bin weder Mitglied der Freimaurer noch der Illuminaten. Ich gehöre nicht zu Scientology, ja, ich war nicht einmal bei den Pfadfindern. Ich habe deshalb einfach keine Ahnung, was „die“ von mir wollen.
    Vielleicht bin ich für die nur irgendwie von Bedeutung, weil ich so viele bedeutende Leute kenne. Ich weiß es nicht. Ich habe noch nicht einmal eine Ahnung, wer die sind. Aber sie wissen alles über mich. Sie kennen meinen Kontostand und wissen von jedem Cent, den ich ausgebe. Das ist mir klar, seitdem ich beobachte, dass sie mir gezielt Sachen aus meiner Wohnung klauen, die ich gerade neu gekauft habe.
    Klamotten überwiegend, aber auch CDs und alltägliches Zeug, wie meinen Tabak, meine Feuerzeuge oder Batterien. Kein Essen, das nicht. Aber mit Vorliebe alles Persönliche wie Briefe und Fotoalben.
    Auf meine Post haben sie es sowieso abgesehen. Briefe vom Finanzamt zum Beispiel oder Strafvollzugsbescheide – Papiere, die mich in Bedrängnis bringen, wenn ich sie nicht rechtzeitig beantworte. In einem Jahr habe ich fünf Mobiltelefone durchgebracht, weil sie sie alle geknackt haben. Ich weiß nicht, was sie von mir wollen, denn weder verhaften noch entführen sie mich, und sie holen auch keine Erkundigungen bei meinen Freunden oder Bekannten ein. Darum glaubt mir auch niemand. Diese Leute wollen offenbar nur, dass alle denken, ich sei verrückt.
    Sie schaffen es auch beinahe, mich in den Wahnsinn zu treiben. Jedes Mal, wenn ich nach Hause komme, sehe ich, dass sie da gewesen sind.

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