Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Titel: Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
Große (
duces
) beim ostfränkischen König Ludwig in Regensburg zur Taufe erschienen sind, was in seiner Tragweite schwer abzuschätzen ist. Soweit sich das Christentum damals unter den späteren Tschechen ausgebreitet hat, blieb es ohne eigenen Bischof in Abhängigkeit von der Regensburger Kirche, geriet aber bald schon in den Sog der östlich benachbarten Mährer, bei denen die Konzentration der politischen Macht zügiger vorangeschritten war.
    Nach dem Untergang des Awarenreiches hatte sich nämlich nördlich der mittleren Donau eine großräumige Herrschaft der (822 erstmals in den Quellen auftauchenden)
Marvani
etabliert, die ebenfalls Einzugsgebiet der bayerischen Mission, diesmal aus Salzburg und Passau, wurde. Nach einem militärischen Eingreifen Ludwigs von Ostfranken (846) übernahm der getaufte Fürst Rastislaw das Regiment und betrieb alsbald die kirchliche Verselbständigung seines Landes. Er wandte sich an den Kaiser in Konstantinopel mit der Bitte um einen «Bischof und Lehrer»[ 22 ], woraufhin 863 die gelehrten Brüder Konstantinos und Methodios aus Thessaloniki erschienen, die keinen Bischofsrang hatten, aber dank ihrer Sprachkenntnis eine slawische Liturgie auf der Basis eines eigens geschaffenen (glagolitischen) Alphabets anzubieten wußten. Darüber kames mit der lateinischen Geistlichkeit zum Konflikt, in den sich auch von Bayern aus König Ludwig gewaltsam einmischte. Schließlich sahen sich die Brüder veranlaßt, ihr Heil in Rom zu suchen, wo Konstantinos 869 verstarb, kurz nachdem er unter dem Namen Kyrillos Mönch geworden war. Methodios erreichte bei Papst Hadrian II. die Billigung der slawischen Liturgie und seine Weihe zum Erzbischof von Pannonien bzw. Mähren (unter Rückgriff auf den im 6. Jh. aufgegebenen Metropolitansitz Sirmium im heutigen Serbien), fand aber bei seiner Rückkehr nach Mähren eine veränderte Lage vor, da Rastislaw von seinem Neffen Swatopluk gestürzt worden war, der zunächst mit den Franken paktierte. Methodios wurde an diese ausgeliefert und Ende 870 von einer Regensburger Synode zu Klosterhaft verurteilt, die er vielleicht in Ellwangen oder auf der Reichenau verbüßte. 873 erwirkte Papst Johannes VIII. seine Freilassung und Rückkehr nach Mähren, allerdings unter Verzicht auf die slawische Liturgie. Swatopluk († 894) suchte in der Folgezeit die Eigenständigkeit der mährischen Kirche, die seit der Taufe des böhmischen Fürsten Bořivoj an seinem Hof (zwischen 872 und 885) auch dessen Machtbereich einschloß, durch unmittelbaren Kontakt mit Rom zu sichern, wobei er sich zunehmend auf den dorthin zur Weihe entsandten, aus Alemannien stammenden Bischof Wiching mit Sitz in Neutra/Nitra (heute Slowakei) stützte. Johannes VIII. lobte den Fürsten 880 dafür, daß er, «andere Herrscher dieser Welt mißachtend, den hl. Apostelfürsten Petrus und seinen Stellvertreter zum Patron, Helfer und Beschützer in allem haben» wolle[ 23 ], deutete also erstmals die künftige Rolle des Papsttums als Stütze der Unabhängigkeit neuer christlicher Reiche an. Methodios blieb im Lande, hauptsächlich beschäftigt mit weiteren Übersetzungen in die von ihm geschaffene slawische Schriftsprache. Nach seinem Tod (885) scheint sogar aus Rom ein neuer Erzbischof samt weiteren Bischöfen nach Mähren entsandt worden zu sein, worüber sich jedenfalls bayerische Bischöfe im Jahre 900 beim Papst beschwerten. Doch bereitete zur selben Zeit der Ansturm der Ungarn diesem ersten Ansatz zu einer slawischen «Nationalkirche» ohnehin ein jähes Ende.
    Parallel dazu vollzog sich eine vergleichbare Entwicklung, wenn auch gewissermaßen unter umgekehrten Vorzeichen, bei den Bulgaren, die ihr Reich an der unteren Donau schon im 7. Jh. begründet hatten und in traditioneller Feindschaft zum byzantinischen Kaiserstaat lebten. Ihr Khan Boris I. (852–889) suchte 863 eine Annäherung an das ferne Ostfrankenreich und winkte dabei mit der Bereitschaft zur Taufe, eben in dem Augenblick, als Rastislaw von Mähren in Konstantinopel um Missionare nachsuchte. Und wie König Ludwig militärisch reagierte, um seinen Einfluß in Mähren zu sichern, rückte auch Kaiser Michael III. im selben Jahr siegreich ins nahe Bulgarien vor und nötigte Boris, seine Taufe von griechischen Priestern zu empfangen und dabei Michael, den Namen des Kaisers, als den eigenen anzunehmen. Allerdings war der Bulgaren-Khan nicht gesonnen, sich der byzantinischen Reichskirche unterzuordnen, und schickte daher 866 eine

Weitere Kostenlose Bücher