Christine Feehan - Karpatianer 13 - Dunkler Ruf des Schicksals
beobachtete die Bewohner dieses Viertels schon seit Monaten und nahm heimlich an ihrem Leben teil. John Paul lebte für Helena. Jeder seiner Gedanken galt ihr.
»Vor ein paar Wochen lief Helena weinend durch die Straßen. Als sie bei uns vorbeikam, sahen wir, dass ihr Gesicht blaue Flecken und Blutergüsse hatte. John Paul hatte sie geschlagen. Sie sagte, so etwas hätte er noch nie getan. Er kam von der Arbeit nach Hause und war ganz anders als sonst.«
Destinys Nackenhaare stellten sich unvermittelt auf. Ein Schatten kroch aus der Dunkelheit auf sie zu, und ein jäher Windstoß wirbelte dunkle Wolken auf, die die Sterne verdeckten.
»John Paul ist nicht imstande, Helena wehzutun.« Es war eine Feststellung. Destiny kannte die Gedanken dieses Mannes ebenso wie sein sanftmütiges Wesen, und sie wusste, wie sehr er Helena liebte. Er würde nie seine Beziehung mit ihr aufs Spiel setzen. Und Helena war nicht der Typ Frau, der es stillschweigend hinnahm, von einem Mann Prügel zu beziehen. »Sind Sie sicher?«
Velda nickte. »Helena glaubt, er ist krank. Sie wollte ihn bitten, zu einem Arzt zu gehen. Sie dachte, dass er vielleicht einen Gehirntumor oder so was hat. Sein Verhalten war so untypisch für ihn! Als sie ihn am nächsten Tag zur Rede stellte, schien er sich an nichts mehr erinnern zu können.«
»Kein bisschen«, bestätigte Inez. »Er war entsetzt, als er Helenas Verletzungen sah. John Paul wusste nicht mehr, dass er sie angebrüllt hatte und geschlagen und ...« Sie verstummte und sah ihre Schwester an.
Vergewaltigt. Das hässliche Wort blieb unausgesprochen, doch es ging ihnen allen durch den Kopf. Destinys Magen rebellierte. Helena liebte John Paul. Und er war zu so einer Untat völlig unfähig. Was könnte der Grund für ein so abwegiges Verhalten sein? Mit angehaltenem Atem wartete sie auf die Antwort; sie wartete darauf, dass Nicolae ihre schlimmsten Vermutungen bestätigte.
Zieh keine voreiligen Schlüsse. Wir sind in Gedanken immer bei den Untoten, aber nicht alle Verbrechen werden von Vampiren begangen. Auch Menschen sind imstande, furchtbare Dinge zu tun.
Daran wollte sie nicht erinnert werden. Destiny wollte glauben, dass ein Vampir dahintersteckte. Wie konnte ein Mensch dafür verantwortlich sein, dass sich John Pauls ganze Persönlichkeit veränderte? Das ergab für sie keinen Sinn.
»Wie geht es Helena?«
»Sie verlässt kaum noch das Haus, und wenn sie ausgeht, ist sie still und bedrückt, gar nicht wie sonst. Und John Paul ist völlig durcheinander und hat Angst, sie zu verlieren. Er hat mir gesagt, dass er sich wirklich nicht mehr an diesen Tag erinnern kann. Es ist sehr traurig«, meinte Velda. »Und das ist noch längst nicht alles.«
Die Tür der Bar öffnete sich, und Licht, laute Musik und Gelächter fluteten auf die Straße. Als die drei Frauen sich umdrehten, sahen sie MaryAnn mit einem Mann herauskommen. Er hielt ihren Ellbogen umfasst. Keiner der beiden beachtete die Frauen. Stattdessen bogen sie in die kleine Gasse, die hinter die Bar führte.
Destinys Herz blieb einen Moment lang fast stehen, bevor es angstvoll zu klopfen begann.
Kapitel 5
Velda, Inez, ich weiß, wie wichtig das ist, und ich glaube Ihnen auch. Ich möchte alles hören, was Sie zu berichten haben, aber leider muss ich jetzt sofort gehen.« Sie holte so tief Luft, dass ihr der Atem in der Lunge wehtat. Fass sie ja nicht an! In ihrem Befehl lag keine Bitte, nur eine sehr reale Drohung. Sie sprang auf und lief zu der Hintergasse, wobei sie ihre Gestalt verschwimmen ließ, damit sie sich blitzartig bewegen konnte, ohne dass die Schwestern es merkten. Der Wind frischte auf und fegte durch die Straßen. Er trieb Papierfetzen, Zweige und Blätter vor sich her und wirbelte Staub in die Luft.
Destinys Körper bewegte sich geschmeidig und kraftvoll wie eine tödliche Maschine, die darauf programmiert war, das Unausweichliche zu verhindern. Sie versuchte, das Blutband zwischen ihnen zu benutzen, um Nicolae geistig zu erreichen und ihn bewegungsunfähig zu machen. Sie hätte wissen müssen, dass er ihr nie sein Blut gegeben hätte, wenn sie damit die Herrschaft über ihn erlangte. Er war einer vom uralten Stamm, mit mehr Macht und Stärke und Erfahrung im Kampf, als sie hoffen konnte, in ihrer kurzen Zeit als Jägerin gesammelt zu haben. Es war zu spät, um ihn aufzuhalten. Sie wusste genau, in welchem Moment sich seine Zähne tief in MaryAnns verletzlichen Hals bohrten.
Destiny gab ein leises Zischen von sich,
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