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Christmasland (German Edition)

Christmasland (German Edition)

Titel: Christmasland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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Inneren des Ladens eine Alarmanlage los, elektronisches Jaulen, das von einem silbernen Blitzlicht begleitet wurde. In dem silbernen Licht war zu erkennen, dass es sich um einen Fahrradladen handelte.
    Einen Moment lang hielt die Nacht den Atem an.
    Mitten im Schaufenster stand ein einfaches weißes Raleigh. V ic schwankte. Das Gefühl von Bedrohung ließ so schnell nach, als hätte jemand einen Schalter umgelegt.
    Sie ging über die Straße zu dem Fahrradladen, und als das zerbrochene Glas unter ihren Stiefeln knirschte, hatte sie bereits einen Plan. Sie würde das Fahrrad stehlen und damit aus der Stadt hinausfahren. In die Nacht hinein, zur Dakota Ridge, in den Wald, bis sie die Shortaway gefunden hatte.
    Die Shorter Way Bridge würde sie über die Mauern des Hochsicherheitsgefängnisses hinweg in das Gefängnisspital bringen, wo Charlie Manx untergebracht war. Ein seltsames Bild würde sie abgeben: eine Einunddreißigjährige, die um zwei Uhr nachts nur in Unterwäsche auf einem Fahrrad durch die Dauerpflegestation eines Hochsicherheitsgefängnisses fuhr. V ic stellte sich vor, wie sie durch die Dunkelheit glitt, während um sie herum die Strä fl inge in ihren Betten schliefen. Sie würde bis zu Manx’ Bett fahren, den Fahrradständer ausklappen, das Kissen unter seinem Kopf hervorziehen und ihn damit ersticken. Damit hätten die Anrufe aus dem Christmasland ein Ende. Das wusste sie.
    V ic griff in das zerbrochene Schaufenster, nahm das Raleigh heraus und trug es auf die Straße. In der Ferne hörte sie das sehnsuchtsvolle, gequälte Geräusch einer Sirene.
    Sie war überrascht. Die Alarmanlage war erst vor einer halben Minute losgegangen. Sie hätte nicht gedacht, dass die Bullen so schnell reagieren würden.
    Aber die Sirene, die V ic hörte, stammte nicht von der Polizei. Es war die Feuerwehr, die zu V ics eigenem Haus fuhr, wenngleich nicht mehr viel davon übrig war, als der Löschwagen schließlich dort eintraf.
    Die Polizeiautos tauchten erst ein paar Minuten später auf.

Brandenburg, Kentucky
    D ie schwierigste Arbeit hob er sich für den Schluss auf: Im Mai 2012 holte Nathan Demeter mit einem Kettenzug den Motor aus dem Wraith und brachte zwei Tage damit zu, ihn grundzuüberholen. Er reinigte die Schubstreben und ersetzte die Bolzenschrauben durch Teile, die er in einem Spezialladen in England bestellt hatte. Der Motor war groß, ein L6 mit 4,3 Litern Hubraum, und auf Nathans Arbeitstisch sah er aus wie ein riesiges mechanisches Herz – was er ja im Grunde auch war. V iele menschliche Erfindungen erinnerten an Schwänze – die Spritze, das Schwert, der Federhalter, die Pistole –, aber der V erbrennungsmotor musste nach dem V orbild des menschlichen Herzens entstanden sein.
    »Es käme um einiges billiger, eine Limousine zu mieten«, hatte Michelle gesagt. »Und du müsstest dir nicht die Hände schmutzig machen.«
    »Wenn du denkst, ich hätte etwas dagegen, mir die Hände schmutzig zu machen, dann hast du die letzten achtzehn Jahre aber schlecht aufgepasst«, hatte er geantwortet.
    »Hat wohl was mit deiner nervösen Energie zu tun, was?«, hatte sie gesagt.
    »Wer ist hier nervös?«, hatte er gefragt, aber sie hatte nur gelächelt und ihn geküsst.
    Manchmal, wenn er ein paar Stunden an dem Wagen gearbeitet hatte, machte er es sich mit einem Bier auf dem Fahrersitz bequem, ein Bein durch die offene Tür hinausgehängt, und ließ die V ergangenheit Revue passieren: die Nachmittage, an denen er mit Michelle in dem Wraith über ihr Land gefahren war, seine Tochter am Steuer, während zu beiden Seiten das Unkraut über die Karosserie strich.
    Mit sechzehn hatte Michelle ihren Führerschein gemacht und die Prüfung gleich beim ersten Mal bestanden. Jetzt war sie achtzehn und besaß ihr eigenes Auto, einen sportlichen, kleinen Jetta, mit dem sie zum Studium nach Dartmouth fahren wollte. Die V orstellung, wie sie allein unterwegs war und in schäbigen Motels von den Männern an der Rezeption oder den Truckern in den Hotelbars interessiert gemustert wurde, machte ihn ganz kribbelig. Die nervöse Energie.
    Michelle machte in der Regel die Wäsche, was ihm ganz recht war, weil er beim Anblick ihrer Unterwäsche im Trockner – bunte Spitzenhöschen von V ictoria’s Secret – immer an Dinge wie ungewollte Schwangerschaften oder Geschlechtskrankheiten denken musste. Über Autos hatte er mit ihr reden können. Es hatte ihm Spaß gemacht, ihr dabei zuzusehen, wie sie eine Kupplung bedienen oder einen Wagen

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