Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis
uns gestern Nachmittag durch die Lappen gegangen sind.« Und nachdem er sich Kaffee nachgeschenkt hatte, wandte er sich an Clarissa: »Machen Sie Ted und Rocky ein paar Sandwiches, Clarissa, sie bleiben den ganzen Tag draußen. Ich komme mittags wieder. Wenn Sie einverstanden sind, zeige ich Ihnen heute Nachmittag die Ranch. Wird höchste Zeit, dass Sie unsere Rinder sehen.«
Sie nahm an, dass er nach dem Brief vor allem auf andere Gedanken kommen wollte, genau wie sie, und willigte dankbar ein. »Sehr gern, Jimmy.«
Nachdem die Männer gegangen waren, kümmerte sich Clarissa um den Haushalt. Sie putzte im ersten Stock, räumte das Schlafzimmer des Ranchers auf und trug die schmutzige Wäsche zusammen. Im Waschraum, der gleich neben der Küche lag, weichte sie die schmutzigen Kleider in heißem Wasser ein und schrubbte sie auf dem Waschbrett, das schon seit einiger Zeit nicht mehr benutzt worden war. Sie spülte die Kleider in sauberem Wasser und hängte sie auf dem Gestell über dem warmen Küchenherd zum Trocknen auf.
Sie war gerade mit der Arbeit fertig und trocknete ihre nassen und geröteten Hände über den heißen Herdplatten, als sie das Schnauben eines Pferdes hörte. Du bist früh dran, Jimmy, dachte sie, trocknete ihre Hände an der Schürze ab und ging ins Wohnzimmer. Nachdem sie die Tür geöffnet hatte, blieb sie erstaunt stehen, den kalten Wind im Gesicht. Ein unscheinbarer Mann, in einen langen Wintermantel gekleidet, auf dem Kopf eine Schiebermütze mit gefütterten Ohrenschützern und eine leicht beschlagene Nickelbrille auf der knochigen Nase, stieg von seinem Pferd und verbeugte sich leicht.
Sie ahnte sofort, mit wem sie es zu tun hatte. »Mister Higgins?«
»Ja, Ma’am.« Er fror trotz des Mantels. »Ist Mister Flagler zu Hause?«
»Leider nein, aber es kann nicht mehr lange dauern, bis er zurückkommt. Er sucht nach einigen versprengten Rindern.« Sie reichte ihm die Hand. »Ich bin Clara Holland, die neue Haushälterin von Mister Flagler. Kommen Sie doch rein, Sie sind ja ganz durchfroren. Wie wär’s mit einem heißen Kaffee?«
»Da sage ich nicht nein, Ma’am.«
Sie führte ihn ins Wohnzimmer, nahm ihm seine Winterkleidung ab und legte sie auf einen Stuhl. »Nehmen Sie doch Platz, Mister Higgins.« Sie brachte ihm einen Becher Kaffee und einige Schokokekse, die sie in Williams Lake gekauft hatten, und setzte sich ihm mit einem Becher Tee gegenüber. Während die Wäsche einweichte, hatte sie sich einen Tee gekocht, eine willkommene Abwechslung nach dem starken Kaffee vom Morgen.
»Vielen Dank, Ma’am«, erwiderte er verlegen. Er blickte sich genauso erstaunt wie der Postreiter in dem aufgeräumten Wohnzimmer um und konnte es gar nicht fassen. »Hier sieht es ganz anders aus. Als ich vor einem halben Jahr hier war, konnte man hier kaum irgendwohin treten. Haben Sie hier aufgeräumt?«
»Das gehört zu meinen Aufgaben, Mister Higgins.« Sie trank einen Schluck, um Higgins die Gelegenheit zu geben, von ihrem Kaffee zu kosten, und registrierte erleichtert, wie er zufrieden lächelte. »Ich nehme an, Sie kommen wegen des Kredits. Wie ich gehört habe, läuft er bereits am 21. März ab, aber das dürfte ja wohl nur ein kleiner Formfehler sein, denn wie Sie wissen, beginnt das Frühjahr hier wesentlich später, und Mister Flager kommt erst im April oder Mai dazu, einen Teil der Rinder zu verkaufen. Sobald er das Geld hat, begleicht er die fällige Summe natürlich sofort. Richtig, Mister Higgins?«
»Nun …« Der Angestellte fühlte sich sichtlich in die Enge getrieben. »Mein Direktor sieht das anders. Er besteht darauf, das Geld jetzt schon einzutreiben. So steht es im Vertrag. Er ist ein sehr genauer Mann, unser Direktor.«
»Und hat vom Rindergeschäft keine Ahnung, hab ich recht?«
»Das haben Sie gesagt, Ma’am.«
»Ich nehme an, die Zentrale hat ihn von Vancouver oder Kamloops nach Williams Lake versetzt, und er hat zum ersten Mal mit Ranchern zu tun.«
Higgins blickte sie erstaunt an. »Das stimmt, er kommt aus Kamloops …«
»… und hatte bisher nur mit Ladenbesitzern und anderen Geschäftsleuten zu tun. Ich komme selbst aus Vancouver, Mister Higgins, und weiß, wie lange es dauert, bis man sich an die veränderten Gegebenheiten in der Wildnis gewöhnt hat. In Williams Lake denkt man anders als in Kamloops.« Sie schmeichelte ihm mit einem Lächeln. »Sie leben sicher schon länger hier, Mister Higgins. Sie sehen nicht so aus, als könnte man Ihnen was
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