Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)
Schnecken schon heruntergeschlungen und beäugte gierig Toraks Portion. Torak überließ ihm den Rest und legte das Kinn auf die angezogenen Knie. »Wie sieht es im Wald aus? Wie schlimm ist es inzwischen?«
»Ziemlich schlimm.« Renn erzählte, dass die Sippen ihre Lager verließen, und beschrieb ihm den Kranken vom Seeadlerclan.
Toraks Miene wurde noch finsterer. »Ich habe nämlich von Wolf geträumt. Er wollte mich vor etwas warnen. ›Schatten‹ hat er gesagt, und ›Tod‹.«
»Hat er die Krankheit gemeint?«
»Ich frag ihn mal.« Torak senkte den Kopf, stieß einen leisen, halb winselnden, halb knurrenden Laut aus und Wolf sprang sofort mit gespitzten Ohren auf die Füße. Dann stellte er den Schwanz auf, leckte Torak den Mundwinkel und winselte eine Antwort.
»Was sagt er?«, wollte Renn wissen. Sie fühlte sich unbehaglich.
»Dasselbe wie in meinem Traum. ›Schatten, Tod.‹ Keine Ahnung, was das bedeuten soll.«
Renn säuberte ihr Messer mit Asche. »Bist du deswegen fortgegangen? Weil er dich im Traum gewarnt hat?«
»Was?«
»Bist du deswegen fortgegangen, ohne irgendwem Bescheid zu sagen? Nicht mal mir?« Der gereizte Unterton ließ sich einfach nicht verhindern.
»Ich wollte einen Trank gegen die Krankheit suchen«, erwiderte Torak ruhig. »Ich habe dir nicht Bescheid gesagt und dich nicht mitgenommen, weil ich dich nicht in Gefahr bringen wollte.«
Renn war fassungslos. »Aber ich war doch längst in Gefahr! Wir waren alle in Gefahr, ach was, wir sind es immer noch! Was gibt es Schlimmeres als die Krankheit?«
»Den Schleicher«, war die zögerliche Antwort.
»Wer ist das denn?«
»Das weiß ich leider auch nicht. Er ist klein. Verdreckt. Er hat Klauen.«
»Das Tokoroth«, sagte Renn dumpf.
Torak richtete sich auf. »Davon haben die Waldpferde auch gesprochen. Wird er so genannt?«
Renn nickte. »Als du weg warst, hat mir Saeunn davon erzählt. Darum bin ich dich ja auch suchen gegangen. Saeunn sagt, die Tokoroth gehören zu den gefährlichsten Bewohnern des Waldes.«
» Die Tokoroth?«, echote Torak. »Heißt das, es gibt mehrere?«
Das Mädchen nickte.
»Es ist in Asrifs Boot übers Meer gekommen …«, sagte Torak nachdenklich.
»Wie, es ist hier?! Hier auf der Insel?«
»Sag ich doch. Es hat sich in Asrifs Boot versteckt. Und wenn das einem gelungen ist…«
»… kann es noch anderen gelingen. Womöglich haben sie sich in den Kanus der Seeadler und der anderen Clans versteckt.«
Beide schwiegen gedankenversunken.
»Bist du absolut sicher, dass es hier ist?«, vergewisserte sich Renn schließlich.
»Ja. Ich habe es gesehen. Es hat mir eine Falle gestellt. Deswegen wäre ich um ein Haar ertrunken. Ich war auf der Suche nach einem Beweis, einer Spur oder etwas Ähnlichem, um die Robben davon zu überzeugen, dass ich mir das Ganze nicht ausgedacht habe.«
»Die Robben? Wozu das denn?«
»Sie wollen mir helfen, einen Trank gegen die Krankheit zu brauen.«
» Helfen wollen sie dir? Jetzt auf einmal? Sie haben dich verprügelt und verschleppt…«
»Danach haben sie mich wieder laufen lassen.« Torak berichtete seiner Freundin, wie sich alles zugetragen hatte: wie ihn der Schleicher verfolgt hatte, wie er am Rand des Großen Waldes wieder umgekehrt war, wie ihn die Robben gefangen genommen hatten und er sie überreden konnte, ihm die Strafe zu erlassen. »Das Tokoroth ist an der Krankheit schuld, davon bin ich überzeugt, merkwürdig ist nur, dass ich selbst noch gesund bin. Es kommt mir vor … als ob es mich irgendwie auf die Probe stellen will. Aber warum bloß?«
Renn konnte ihm immer noch nicht ganz folgen. »Du bist also kein Gefangener mehr?«
»Wie gesagt, die Robben wollen mir helfen, den Trank zu brauen. Sie haben mir sogar beigebracht, wie man mit einem Hautboot umgeht. Na ja, sie haben es jedenfalls versucht. Morgen brechen wir zum Adlerfelsen auf.« Er blickte nach Osten, wo es schon hell wurde. »Heute, meine ich natürlich.«
Renn griff nach einem Gänsefußstängel und kaute darauf herum. »Das kommt mir komisch vor. Erst verprügeln sie dich und jetzt wollen sie dir auf einmal helfen?«
»Sie brauchen den Trank genauso.«
Renn war immer noch skeptisch. »Was das angeht, habe ich zwar schon von der Selikwurzel reden hören, aber ich wüsste nicht, dass sie in der Schamanenkunst verwendet wird.«
»Ach nein? Tenris wird ja wohl wissen, was er tut«, erwiderte Torak scharf.
»Wer ist denn nun wieder Tenris?«
»Der Robbenschamane. Versteh doch, die
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