Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
riesig und schien mit seinen Erkern, Nischen und Seitengängen ein Labyrinth aus mehreren Zimmern zu sein. Griogair wartete bereits, genau wie Conal. Kate saß da und schenkte Leonora ein vermeintlich nichtssagendes Lächeln. Neben ihr stand, ungerührt wie eine Statue, meine Mutter. Auf der Rückenlehne eines Eichensessels hockte ein Rabe und musterte mit seinen schwarzen Augen alles und jeden. Er war Leonoras Begleite r – um nicht zu sagen: ihr Vertrauter. Die Anwesenden waren so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass es mir ein Leichtes war, mich unbemerkt hineinzuschleichen. Wie immer schirmte ich meinen Geist ab und dennoch war es nicht ausgeschlossen, dass der eine oder andere wusste, dass ich da war, tief in den finstersten Winkel gekauert. Der Vogel wusste es auf alle Fälle.
Und ganz sicher auch Conal.
„Es wäre schön, wenn wir das hier so schnell wie möglich hinter uns bringen könnten, meine liebe Kate.“ Leonora schenkte der Königin ein süßliches, überlegenes Lächeln. „Es war ein langer Tag.“
„Natürlich“, antwortete Kate, deren Lächeln Leonoras zum Verwechseln ähnlich sah. „Ich werde mich kurz fassen.“
Lilith konnte nicht länger an sich halten und schaltete sich ein: „Wir werden deine kostbare Zeit nicht lange in Anspruch nehmen, Leonora. Politik kann manchmal eine furchtbar anstrengende Angelegenheit sei n …“ Sie sagte nicht „in deinem Alter“, aber die unterschwellige Botschaft hallte förmlich von den Wänden wider.
Griogair ließ sich schweigend in einen mit Schnitzereien verzierten Sessel sinken. Er beachtete die Frauen nicht. Sein Blick war ausschließlich auf Conal gerichtet. Dann starrte er auf seine Fingernägel. Und schließlich an die Decke.
„Wir haben auf dich gewartet, Leonora“, sagte Lilith. „Ich hoffe, du warst unseretwegen nicht allzu sehr in Eile?“
Leonora blieb vollkommen ungerührt, wofür ich sie aufrichtig bewunderte.
Lilith presste die Lippen zornig aufeinander, tat aber so, als wäre sie nicht gerade vorgeführt worden. „Kate hat dir einen Vorschlag zu unterbreiten.“
„Den hätte sie mir gern auch schon auf dem Fest unterbreiten können“, entgegnete Leonora und streckte die Hand aus, um den Raben am Hals zu kraulen. Er krächzte freudig.
„Die Angelegenheit ist etwa s … heikel“, sagte Kate.
Da sein Vater nun in eine andere Richtung blickte, machte Conal unauffällig einen Schritt zurück und lehnte sich gegen eine Säule. Als er den Kopf leicht nach links drehte, geriet ich in sein Blickfeld, sodass er mich direkt anschaute. In der alles verschlingenden Dunkelheit konnte er mich eigentlich gar nicht sehen, aber doch: Er sah mich!
Der Ausdruck in seinem Gesicht ließ mich erschauern. Zaghaft senkte ich den Schutzschild meines Geistes, sodass er eindringen konnte, und sofort schickte er mir seine Botschaft.
Du Narr! Grünschnabel! Bleib unsichtbar!
Tut mir lei d …, setzte ich an.
Unsichtbar!, wiederholte er wütend. Oder du stirbst. Und jetzt heb deinen Schutzschild wieder an.
Ich tat, wie mir geheißen. Ich schämte mich in Grund und Boden, doch zugleich brannte ich vor Neugier. Ich wagte es nicht, auch nur einen Muskel zu rühren, nicht einmal meine Schläfe zu reiben, obwohl Conals Rüge mir hämmernde Kopfschmerzen beschert hatte. Um nichts in der Welt hätte ich mich jetzt vom Fleck gerührt.
Griogair funkelte seinen geliebten Erstgeborenen misstrauisch an, während die Frauen einander weiterhin umkreisten und nacheinander schnappten wie Katzenhaie nach einem blutigen Köder.
„Kate, meine Liebe. Wieso sollte einer deiner Pläne überhaupt meiner Unterstützung bedürfen?“
Kate zuckte leicht mit den Schultern und ließ sich zurück in den Sessel sinken. „Weil ich nicht stark genug bin, ihn allein durchzuführen. Ich brauche deine Hilfe, Leonora.“
Das ließ Leonora verstummen. Schon allein dafür, Leonora einmal sprachlos zu sehen, hatte mein Wagnis sich gelohnt.
„Kates Vorschlag ist durchau s … gewagt.“ Liliths Lächeln schoss über Leonoras Schulter hinweg und traf Griogair. „Haben in der Vergangenheit je zwei so mächtige Sithe zur selben Zeit nebeneinander geherrscht? Auf dem Höhepunkt ihres Könnens? Das muss doch einen tieferen Sinn haben, Leonora. Und du verfügst zudem nicht nur über die Kraft deines eigenen Geistes. Auch der großartige Herr über diese Festung gewährt dir seine Unterstützung.“
Jetzt tat Lilith nicht einmal mehr so, als lächelte sie Leonora an, sondern
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