Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
während Liath mir nicht von der Seite wich. „Ab in euer Verlies, meine Lieben. Und dann müssen wir in unseres.“
„Verschrumpelt, sage ich euch, verschrumpelt! Ausgerechnet in seiner Hochzeitsnacht!“
Die Männer in der Ecke hatten offensichtlich zu tief in Ma Sinclairs teuflischsten Whisky geschaut. Derjenige, der gerade sprach, hatte den Speichelfaden, der ihm zwischen den verfaulten Zähnen herunterhing, ganz und gar nicht im Zaum. Er spuckte beim Sprechen unablässig seine Saufkumpane an, während er mit der Faust auf den Tisch schlug. Die anderen waren aber auch schon jenseits von Gut und Böse, sodass sie es nicht einmal zu bemerken schienen. Wenigstens hatte der Mann mit der Fiedel aufgehört, sein Instrument zu malträtieren.
Ich hockte am Tresen und lauschte gebannt, während Ma Sinclair mir unauffällig eine Flasche von ihrem besten Fusel zuschob. Ihr goldfarbenes Grinsen strahlte mich an und ich schüttelte in gespieltem Entsetzen den Kopf. Es wäre sinnlos gewesen, mich in die Unterhaltung einzumischen, denn die Hälfte der Kerle würde sowieso bald sturzbetrunken am Boden liegen.
Ma Sinclair war da weniger zurückhaltend. „Glaubst du das wirklich, William Beag?“, schrie sie quer durch den Raum. „Soweit ich gehört hab, gab’s da nicht viel, was hätte schrumpeln können!“
Faulzahn warf ihr einen wütenden Blick zu. „Halt du dich da raus, Weib.“
Ich wollte ihn zurechtweisen, aber jemand kam mir zuvor: ein Mann, der talabwärts ein Stück Land gepachtet hatte. Er saß in einer finsteren Ecke des Wirtshauses allein vor seinem Ale und hatte den Kopf gehoben. „Halt dich zurück, William Beag!“, fuhr er den Säufer an. „Roderick Mor hat sich bei seiner Hochzeit um den Verstand gesoffen, kein Wunder, dass da nichts mehr ging!“
Faulzahns Nase und Wangen waren puterrot und er schrie zurück: „Unsinn! Roderick Mor ist verhext worden!“
„Verhext! So was gibt’s doch gar nicht, du Blödmann.“
Die Saufkumpane protestierten lautstark und William Beag erhob sich schwankend. „Ach ja, tatsächlich, MacKinnon? Traust du dich auch, mir das ins Gesicht zu sagen?“
„Hat er doch schon“, fuhr Ma Sinclair gereizt dazwischen. „Jetzt pflanz dich wieder hin, William, sonst brauchst du in Zukunft nicht mehr wiederzukommen.“
Murrend setzte er sich wieder, bevor er das Gleichgewicht verlieren konnte. „Wer behauptet, dass es keine Hexen gibt, ist selbst ein Diener des Satans“, grummelte er.
Jetzt war es MacKinnon, der sich drohend aufrichtete. „Was dagegen, das noch mal laut zu sagen wie ein richtiger Mann?“
Ein paar der Männer sahen sich verunsichert an. Ich hatte so meine Zweifel, ob William Beag überhaupt lange genug aufrecht stehen konnte, um ihm eine zu verpassen. Die Stimmung hier gefiel mir ganz und gar nicht und mit einem Blick in Ma Sinclairs besorgtes Gesicht verging auch mir die Lust auf eine Rauferei. Der Fiedelquäler setzte nervös sein Instrument an und würgte den gepeinigten Saiten einen düsteren Grabeston ab. In dem Moment riss mir der Geduldsfaden. Ich knallte meinen Becher laut auf den Tresen und ging mit ausgestreckter Hand zu dem Fiedler. Erschrocken ließ er den Bogen sinken.
„Gib ihm nicht die Fiedel, der Kerl hat nicht alle Tassen im Schrank. Ist der Bruder vom Schmied.“
„Nur weil er bekloppt ist, heißt das doch nicht, dass er nicht spielen kann, oder?“, warf ein anderer ein.
Ma Sinclair beäugte mich unruhig, aber ich behielt mein dümmliches Grinsen und zwinkerte ihr zu. Sie zuckte nur die Achseln, als wollte sie sagen: Mach doch, wenn du nicht alle Tassen im Schrank hast.
Zögernd und widerwillig gab Calum mir die Fiedel und den Bogen. Ich entlockte den Saiten einen ersten kratzigen Ton, bei dem William Beag in schallendes, Speichel sprühendes Gelächter ausbrach. Auch der nächste Ton war noch etwas unsicher, den folgenden traf ich schon besse r – und allmählich begann das Instrument, zu mir zu sprechen. Die arme Fiedel konnte ja nichts dafür. Ich stimmte die Saite, versuchte mich an einem langen Ton und lächelte. Das Instrument hatte sich an meine Finger gewöhnt. Ich wirbelte herum, klemmte mir die Fiedel unters Kinn und legte los.
So hatten sie hier wohl noch nie jemanden spielen gehört. Sie kannten nur ihre schnellen Tänze, die wilden Rhythmen unserer Musik hingegen waren ihnen fremd, diese Musik, die einem den Brustkorb durchrüttelte, die das Herz schneller schlagen und das Blut kochen ließ. Ich hielt die
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